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[ Band 7 Brief 85: Caroline an Humboldt Marienbad, 20. August 1823 ]
das schönste, was ich je in einem Bade gehabt habe (außer, daß im ganzen Hause die Mittel fehlen, sich ein Zimmer zum Schlafen dunkel zu machen), aber auch sehr teuer. 32 Florin die Woche. Es ist wirklich ridikül, allein, was will man machen? Das ganze Örtchen besteht nur aus 28 sehr schönen, vier Jahre alten Häusern, und man muß zahlen, was sie verlangen. Wir haben gestern gebadet, in Wasser, Caroline und ich. Die Wasserbäder sind sehr angenehm, man sitzt gleichsam in Cham- pagner, so moussiert das Wasser. Ich gehe heute schon zu den Schlamm- oder Moorbädern über. Die Moorbäder sind das große wirksame Mittel von Marienbad. Die Gegend hat Ähn- lichkeit mit der Karlsbader, nur ist das Tal weiter, die Häuser stehen noch einzeln, eine eigentliche Straße gibt’s nicht. Es ist alles noch im Werden. Tag und Nacht wird gebaut. Frauen und Kinder sieht man Baumaterialien herbeischleppen, weil soviel Fuhren gar nicht aufzutreiben sind. Eine große Freude hat es mir gemacht, Goethe noch zu sehn. Heute reist er ab nach Franzensbrunn, wo er noch ein 14 Tage bleiben will. Er treibt dies Leben in den böhmischen Bädern, wie mir vorkommt, mit in geologischer Hinsicht und Beschäftigung. Ich war mit Caroline bei ihm, es schien ihn zu freun, er war ungemein freundlich, und beim Abschied sehr weich. Er hängt mit großer Freude an dem Gedanken, Dich im November in Weimar zu sehen, und läßt Dich tausendmal grüßen und versichert, er wolle sich von allem losmachen und nur für Dich leben. Ich fand ihn wohl aussehen, besonders, wenn man seinen Zustand im Winter bedenkt, wohler und etwas voller im Gesicht als im Jahr 17, wo ich ihn zuletzt sah, und wirklich weniger alt und verfallen in den Zügen als in Rauchs Büste. Dennoch fand ich in einer ge- wissen Weichheit des Ausdrucks, in dem leicht sich mit Feuchtigkeit füllenden Auge, in einer gewissen Unsicherheit der Bewegungen 152