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[ Band 7 Brief 82: Caroline an Humboldt Karlsbad, 12. August 1823 ]
82. Caroline an Humboldt Karlsbad, 12. August 1823 Heute kommst Du also nach Berlin, Deinem letzten Brief nach. Wie sehr wird Männchen sich freun! Umarme ihn doch von mir. Ich hoffe, er wird fleißig gewesen sein und Du mit ihm zufrieden sein. Von Rom habe ich einen Brief. Die Zerstörung von S. Paul soll unglaublich sein. Wenig ist gerettet. Die bronzene antike Tür ist geschmolzen. Die Säulen kalziniert und zertrümmert, die Mosaiken zerbrochen. Es soll ein Jammer sein, es zu sehn. So geht doch alles Große nach und nach unter, und so etwas ersteht nicht wieder im Laufe dieser Zeiten. Man spricht hier viel von zwei Fräulein von Levetzow, ohne die man Goethen selten oder nie in Marienbad zu sehen bekäme. Sie hängen immer an seinen Armen. Man sagte vorige Woche sogar, er hätte die älteste geheiratet. Doch hoffe ich, sind solche Ideen dem 73 jährigen Goethe fremd. Hier ist Meyer, der Kunscht Meyer aus Weimar, Goethens Freund. Er sieht aber sehr gelb und krank aus, höchst verfallen und ge- altert, und vollführt eine Morgentoilette am Sprudel, daß, wie einfach ich über Toilette denke, ich mich doch besinne, mit ihm herumzugehn. Deutsche sind jetzt die wenigsten hier. Man hört nichts wie Polnisch an den Brunnen, auf dem Spaziergang, höchstens wechselt es mit dem Französischen. Die Polen, die vornehmen, haben eine superverfeinerte Tournüre im Äußeren, im Innern sind sie doch roh. Einen interessanten Menschen habe ich an dem Doktor Liboschütz gefunden, den ich im Jahr 13 und 14 auch in Wien gekannt hatte, eigentlich ein Russe, aber in Deutschland gebildet und ein denkender Kopf. Er ist jetzt lang in Sibirien gewesen und hat schöne und merk- würdige Landesprodukte mit von dort hergebracht, von denen er mir einige gezeigt hat. 147