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[ Band 7 Brief 80: Humboldt an Caroline Breslau, 6. August 1823 ]
Trotz aller dieser Dinge kann ich nicht leugnen, daß ich inner- lich sehr gerührt war. Man sieht so gar nicht, was aus solch einem Kinde wird, in dem alle Schicksale noch unentwickelt daliegen. Der Kleine war musterhaft still und hat mehr, als ich fast je bei Kindern gesehen, ein stilles und ruhiges Umherblicken mit seinen großen, blauen Augen. Rhedigers haben mir ein närrisches Buch mitgegeben: »Scheffners Leben«. Scheffner war ein alter, sehr angesehener Mann in Königs- berg, der 1808 und 1809 mit allen, die aus Berlin dort waren, viel lebte. Es kommen die närrischsten, indiskretesten und gar nicht zu entschuldigenden Dinge darin vor, allein es interessiert, wie jede Selbstbiographie, die voll von Urteilen über lauter lebende Personen ist. Ich werde nur genannt, ohne Zusatz. Aber an einer anderen Stelle zitiert er bei Gelegenheit des Todes eine Stanze aus meinem »Rom«, die, welche schließt »Nur ein Leben aus dem Tod Entfalten ist der Menschheit schmerzumwölktes Walten«. Es freut einen immer, wenn eine Stelle, die man ge- schrieben, in anderen eigene Empfindungen angeregt hat. Was hast Du dazu gesagt, daß San Paolo fuori delle mura abgebrannt ist? Du schreibst mir noch von den Bildnissen der Päpste. Nun liegen sie in Asche. Es ist wohl das erstemal seit bekannter christlicher Zeit, daß eine der sieben Hauptkirchen Roms abbrennt. Gute Nacht, teuerstes innigstgeliebtes Wesen! Eben finde ich in »Scheffners Leben« folgende sehr einfach schöne und wahre Verse von Paul Gerhardt *): Wo ich bisher gesessen, war nicht mein rechtes Haus; mein Ziel ist ausgemessen Und gern tret’ ich hinaus, ——— *) Aus Paul Gerhardts »Ich bin ein Gast auf Erden«. 145