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[   Band 7 Brief 69:    Humboldt an Caroline    Burgörner, 7. November 1822   ]


triumphierend zu Bett gelegt. Wenn nun Caroline wieder her-
kommt, hat sie in vieler Zeit nichts zu tun.


70. Humboldt an Caroline               Burgörner, 11. November 1822

Heute über 8 Tage, süße Li, um diese Zeit, es ist gegen
7 abends, muß ich schon sehr nahe bei Dir sein, und freue
mich herzlich Dich wieder zu umarmen. Die Übergabe
ist denn heute gewesen, und obgleich noch nicht unterschrieben ist,
so sind doch alle Dinge so weit beseitigt und abgesprochen, daß
kein Hindernis mehr dazwischen kommen kann.
Mit Hardenberg habe ich heute ziemlich den ganzen Tag allein
zugebracht, und neulich war er fast den ganzen Abend bei mir.
Wir haben also sehr viel gesprochen, und es hat mich doch nicht
ohne Interesse gelassen. Ich habe erst jetzt eine rechte Idee von
seinem Wesen und Empfinden. Er ist doch eigentlich sehr kon-
sequent und hat auch eine viel mehr innerliche Natur, als man
sonst denkt, so daß es einem begreiflicher wird, daß er und
Novalis haben Brüder sein können. Die Grundlage seines ganzen
Wesens ist unstreitig, wenigstens jetzt, die katholische Religion und
die bestimmte Idee, die überall durchleuchtet, daß er am Rande
des Grabes steht. Diese veredelt nun schon an sich den Menschen
und setzt ihn über das bloß Irdische hinweg, und das ist auch in
ihm sichtbar. Dabei fühlt er sehr tief das Unglück, alle seine
Brüder verloren zu haben, und kommt sich ganz verlassen vor.
Über die Stände hat er die feste Idee, daß sie ganz unmöglich
sind, da es keine Kirche mehr gibt. Darin liegt für ihn überhaupt
der Keim alles Unheils. Wo sich das Weltliche allein bloß be-
rührt, da kann kein Segen sein. Daß sich die Regenten populärer
machen, mit anderen Menschen umgehen, ist ihm ein Greuel. Sie

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