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[ Band 7 Brief 58: Humboldt an Caroline Burgörner, 6. April 1822 ]
Mit der lieben, armen Gabriele hast Du ganz recht. Ich bin auch schlechterdings für das Entwöhnen. Es wird sonst nie besser werden. Dem armen Geheimrat [Kohlrausch] droht also wieder ein Sturm oder gar ein Abfall. Sein Unglück ist wirklich meine Gesundheit. Ich bin der einzige, der recht still halten würde. Und wirklich ist er doch sehr gefällig und schenkt Blumen über Blumen. Wenn Gabrielchen nur erst nach Tegel in die freie Luft gehen kann. Davon verspreche ich mir sehr viel, da Ihr einmal alle so ein Bedürfnis nach Luft habt. Den 8. Mit der Schlösserverbesserung ist ein Anfang im Hause ge- macht. Die Klinken, die ich von Berlin mitgebracht hatte, konnten nicht hier gebraucht werden, weil sie mit dem Schlüssel beim Um- drehen in Kollision gekommen wären. Ich habe also einen Hebel gewählt, wie an meiner Alkoventür in Berlin, nur hat er viel dünner ausfallen müssen. Denn der alte Schlosser, mit dem ich in große Freundschaft gekommen bin, hat mir erklärt, daß die Schlösser hier im Hause gar nicht in Deutschland, sondern in London gemacht und von solcher Zartheit sind, daß man ihnen mit nichts Schwerem beikommen darf. Sie haben auch die wunderbare Eigenschaft, daß sie mit Vor- und Rückwärtsdrehen aufgehn und zugehn, und wegen aller dieser Eigenheiten hatte man die runden Klinken ge- wählt. Weil nun die Sache hat so leicht werden müssen, so sieht die Klinke nicht sonderlich, sondern etwas dünnbeinig aus. Ich lasse daher für jetzt nur meine Türen unten machen und warte mit den übrigen im Hause, bis Du, süßes Kind, gesehn hast, ob es Dir so recht ist. Aber mit meinen hielt ich es nicht länger aus. Es ist immer ein Kampf, und wenn man in der Regel auch Sieger bleibt, so läßt man doch auch etwas auf dem Schlachtfeld. An meinem Türschloß nach dem Flur saß, wie Dunker bemerkt hat, sichtbares Blut. 102