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[ Band 7 Brief 54: Humboldt an Caroline Tegel, 11. März 1822 ]
Jetzt ist es still. Der sfogo heute nachmittag scheint geholfen zu haben. Die Wolke kam aber auch ganz schwarz vom Walde her und beschattete ordentlich den See. Lebe innigst wohl, süße, geliebte Seele. Ich bin in Gedanken ewig bei Dir. Ganz Dein H. Für Frau von Humboldt verstrich das Frühjahr 1822 unter bestän- diger Sorge und Pflege, die durch Gabrieles Zustand veranlaßt wurden. Auch brachte Theodor mehrere Wochen bei ihr in Berlin zu, um sich für sein neues Regiment, die 1. Kürassiere, zu equipieren. Mitte April über- siedelte er mit seiner Frau nach Breslau. Anderthalb Jahr hatte Mathilde im schwiegerelterlichen Hause zugebracht, zu gegenseitiger Freude, und die Mutter klagt bei ihrem Scheiden der Tochter Adelheid, die sie ja auch ent- behren muß: »Wie sehr schwer mir die Trennung von unserer lieben Ma- thilde werden wird, kann ich kaum sagen. Und doch muß es sein. Ich komme mir vor, wie ein Baum, den man nach und nach seiner Früchte beraubt, sie anderweitig zu verpflanzen, so immer einsamer wird es um mich. Mathilde war eine süße Zugabe meines häuslichen Glücks. Doch bleibt der Wahlspruch des späteren Lebens, wenn man Kinder hat, immer: Um jener Glück willen entbehren, aus ihrem Wohl das eigene schöpfen, und mein Herz findet sich mit voller Ergebung, obgleich mit tiefer Wehmut, darin. Resignation ist überhaupt das, was, je älter man wird und je vielfacher die Bande des Lebens gewesen, man in seinem tiefsten Sinn immer mehr lernen muß.« 96