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[   Band 7 Brief 14:    Humboldt an Caroline    Tegel, 16. Junius 1820   ]


will ihm Haarseile ziehen, um es zu heilen. Allein verkaufen
muß man es nachher doch. Es ist allerdings fatal. Ich denke
aber kein neues zu kaufen. Es ist alles die Nemesis, daß ein
Exminister nicht vier Pferde haben soll, und da muß man sie
nicht reizen. Sie bringt einen sonst bis zum Einspänner.
Eichler war wieder hier, als ich neulich allein war, wo immer
Leute kommen. Er kam mit Friese und Süvern und entschuldigte
sich ordentlich, so lange nicht hier gewesen zu sein. Adelheid hat
wegen ihrer besonderen Affektion zu ihm ausgerechnet, daß er zum
5. Mal hier war. Er hat bloß nach der ältesten Fräulein Tochter
gefragt, die arme Gabriele wird übergangen. Larochens müssen
fort sein, Grolman geht in einigen Tagen. Ich wünsche ihm
nur Glück mit der Wirtschaft. So ein kleines Gut, wo einem
Hagel und Dürre gleich unmittelbar in die Suppe schlagen, pour
tout partage zu haben, ist doch eine ängstliche Sache.
Eure Wohnung scheint ja gut und freundlich zu sein. Das
ist sehr gut. Bekannte werden nach und nach wohl in Karlsbad
sich einfinden, wenn es nur die rechten und amüsante sind. Hier
studieren wir ordentlich beim Frühstück darauf, ob Hoffnung ist,
den Nachmittag allein zu sein. Wir haben sehr viel Besuch ge-
habt, und es ist eigentlich immer hübscher, wenn wir allein bleiben.
Ich lebe hier sehr ruhig und still. Bis zum Frühstück mache ich
gewöhnlich alle Korrespondenz ab und brauche nicht jeden Tag
dazu, da ich um 6 oder nicht viel später aufstehe. Den Vormit-
tag arbeite ich meist an den amerikanischen Sprachen, die unter
meinen und Herrn Sachses Händen sehr vorrücken. Nachmittags
und abends lese ich unausgesetzt Griechisch mit unendlicher Freude.
Ich habe fast den halben Thucydides hier wieder gelesen, und
jetzt lese ich drei Stücke des Aristophanes, an die ich noch nie ge-
kommen war. Die ersten acht habe ich auch hier in Tegel gelesen,
wie ich mit Dir hier war. Die hübsche, liebe Zeit! jetzt und da-

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