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[ Band 6 Brief 242: Humboldt an Caroline Berlin, 12. September 1819. ]
auch so in unserm Leben gar nicht heilsam und wohltätig. Nun ist Caroline in Italien wieder gesund geworden, und auf Gabrielens Schicksal hat England einen entscheidenden Einfluß. Ohne den Zufall, daß Bülow so allein in London blieb, machte es sich mit seiner Laufbahn nie auf eine gleich günstige Weise. Er macht wirklich ein sehr seltenes Glück, und das nicht fehlen wird, Neid und Gerede, auch Verleumdung zu wecken, man wird sagen, daß er begünstigt worden ist, weil er Bernstorffs Landsmann ist und Gabrielen heiratet. Doch bleibe ich immer beim alten Pindarschen Spruch: Besser ist Neid denn Mitleid. Sollte selbst eine unserer Töchter das Unglück haben, den Mann zu verlieren, so haben sie genug Vermögen, selbst zu leben, und für Theodor ist mir auch bei seiner Art zu sein nicht bange. So schließt es sich am Abend des Lebens ruhig und freund- lich mit den Kindern zusammen, und wir gehen in heiterem Rück- blick auf die Lebenden zu den Gestorbenen. Wir haben wirklich viel Glück im Leben gehabt, es hat wie ein Segen auf uns ge- ruht, weil ich Dich hatte, mein süßes, einziggeliebtes Kind. Denn ich lasse es mir nicht ausreden, daß die Gaben des Himmels mir Deinetwegen kommen. Laß mir, wenn Du ihn auch nicht teilst, immer den süßen Glauben. Alles innere Glück habe ich ja durch Dich allein, warum soll mir das äußere nicht aus gleichen Händen kommen? Mich soll recht wundern, wie Du mich finden wirst? Ich meine nicht im Äußeren, da, glaube ich, bin ich wie in Ems, und die große Regierungslast hat mich nicht niedergedrückt, aber wie Du sonst zufrieden sein wirst. In einer großen Spannung bin ich, nicht gerade wegen dessen, was ich tue, das macht sich noch so ziemlich leicht ab, aber wegen dessen, was ich glaube und fühle, daß geschehen muß. Bis zum Frühjahr muß sich alles ent- scheiden. Die Zeit hat wie etwas Ängstliches jetzt für mich. Ich 617