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[ Band 6 Brief 239: Humboldt an Caroline Berlin, 5. September 1819 ]
Die letzten Nachrichten waren sehr schlimm, sie sind aber schon einige Tage her, und so kann man hoffen, daß es sich wieder mit ihm gebessert hat. So alt er ist, so würde sein Tod mir sehr leid tun. Ihn nur überhaupt lebend zu wissen, ist eine Art Beruhi- gung in der Zeit. Es wird selten wieder ein Mensch von solchen Naturgaben aufstehen. Auch hat man vor seiner Freimütigkeit noch eine immer wohltätige Scheu. Er ist auf seinem Gut und seine Frau ist bei ihm. Den König würde sein Tod gewiß sehr schmerzen. Ich hoffe immer, daß ihn seine Natur noch einmal durchbringt *). Du wirst heute in Coblenz ankommen. Für Schlosser **), weil mir der einfällt bei Coblenz, ist Altenstein sehr gut gesinnt, und es wird nicht an Altenstein liegen, wenn er seine Lage nicht gerade so stellen kann, wie es Schlosser am meisten wünscht. Ich meine aber, daß es nie damit etwas Tüchtiges und Dauerndes werden wird. Es liegt nicht, so gut und schätzenswürdig er sonst ist, in dem Menschen selbst, eine solide Ausdauer zu haben, und es fehlt ihm offenbar an Selbstverleugnung und Demut. Er hat nur Kraft, solange ihn die Phantasie in einer Art Schwung erhält, wenn das nachläßt, verliert er sie auch und schiebt dabei immer die Schuld der Dinge auf andere oder die Umstände, ohne sich gehörig erst zu fragen, ob er selbst beide nicht anders behandeln kann. Es ist sehr schade um ihn. Denn es bringt ihn nicht bloß um die äußere Wirksamkeit, nach der er doch sehr strebt, sondern macht auch, daß sein Denken und Wissen fragmentarisch bleibt. Es liegt gewiß das Fundament jedes Guten nur im Willen. Wer sich nicht gewöhnt hat, sich selbst vollkommen zu beherrschen, sich, was in allen Lagen angeht, einen Kreis von Pflichten vor- zuzeichnen und seine augenblicklichen Launen, Empfindungen, Ver- ——— *) Blücher starb am 12. September 1819. **) Vgl. S. 215. 607