< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 6 Brief 219:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 6. Julius 1819   ]


Wer Dich hier gesehen hat, kann nicht genug sagen, wie man
Dir das Kranksein gar nicht ansieht, und wie Du so gar nicht
verändert bist seit den zwei Jahren. .


220. Caroline an Humboldt                    Ems, 7. Juli 1819

Mein liebes Herz!
Daß ich lebe, ist beinah das einzige, was ich Dir
sagen kann, denn ich lebe in der drückenden Hitze, die
hier ist, und jeder Unmöglichkeit, sich ihrer zu erwehren, eine
Art Leben, wie mattes Fliegenleben, das am Fenster herumtorkelt.
Gestern war es so, daß ich auch nicht einmal imstande gewesen
wäre, Dir diese Zeilen zu schreiben, Weigel hat es daher für nötig
gefunden, mich heut das Trinken des Wassers aussetzen zu lassen,
und da bin ich denn heut ein klein wenig stärker. Das Ther-
mometer steht nur 22 Grad im Schatten, allein es zieht gar
keine Luft durch dieses Tal wie eben jetzt der Wind steht,
und ich schwöre Dir, daß es zum Sticken ist. Diese letzte Nacht
ist die erste, wo ich eigentlich einige Stunden geschlafen habe.
Wir wollen hoffen, daß es künftig besser gehen wird. Wir
verschmachten hier um so mehr, da man gar kein frisches Trink-
wasser hat.
Grüße Caroline Wolzogen, laß sie nicht herkommen, denn es
ist zum Sterben langweilig, und ich stockdumm und abgespannt.
Gabrielle ist uns allen ein Trost, hilfreich, liebend und zuvor-
kommend steht sie die erste auf und geht die letzte zu Bett, bedient
uns alle und setzt sich still hin in den Zwischenmomenten und schreibt
dem Geliebten. August ist vorgestern nachmittag fort, Theodor ist

                                                                       573