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[ Band 6 Brief 192: Humboldt an Caroline Frankfurt, 2. April 1819 ]
vor meinem Sein in Berlin. Das Verhältnis mit dem Staats- kanzler ist auf ewig zerstört, ich wollte nicht ins Ministerium gehen, weil ich die Notwendigkeit davon voraussah. Solange er die alte Geltung hat, kann es mit mir keinen Bestand haben, und wird er die verlieren? Es wird also einen Zustand der Spannung, ein Hin- und Herziehen geben, das, wenn es auch nicht alles Gedeih- liche zerstört, doch nichts Heilbringendes vollkommen hervorbringen kann. Mein Annehmen hat mir auf keine Weise das Gelingen selbst nur erleichtert, sondern nichts getan, als mir den Standpunkt, die Möglichkeit zum Kampf gegeben. Allerdings bedeckt die Zu- kunft wohl nur ein leichter Schleier, aber erfreulich ist sie nicht. Es ist alles erst zu machen, alles erst umzuändern, und diejenigen, die dort in Macht und Tätigkeit sind, haben nicht nur nicht das Gefühl davon, sondern arbeiten mit allem Tichten und Trachten entgegen. Es ist auch nicht einer, auf den man rechnen könnte. Denn daß es dem Neuen an aller nötigen Energie dazu fehlt, daß er selbst nur getragen werden muß, hat sich in diesem Winter hinlänglich offenbart. Wohl, inniggeliebtes Herz, kann man mir alles sagen, und Du vor allem. Wie wäre es möglich, bei Dir in Deiner himm- lischen Reinheit und Wahrheit je einen anderen Gedanken nur zu ahnden, als Du offen selbst sagst. Nein, das ist mir ein recht eigentlicher Trost im Leben und ein unendlicher Genuß, daß Du mir keinen Wunsch, keine Sorge, keinen Kummer verbirgst, daß Du gern bei mir für alles, was Dich drückt, Beruhigung suchst. Darin hast Du ganz recht, daß der gute August Dich, wie Du eigentlich bist, und ein tiefes und feines weibliches Gemüt nie be- greifen wird noch kann. Er ist mehr oder minder in der Wirklich- keit befangen und kennt wohl nur die Weise, in seinen Gedanken und Empfindungen über das Leben hinauszugehen, die immer noch viel der irdischen Schwere und Gebundenheit mit sich hinüberträgt. 516