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[ Band 6 Brief 188: Humboldt an Caroline Frankfurt, 19. März 1819 ]
vor, daß ich kalt bin, kein Gemüt habe und nur nach Verstand handle, den Neuen nimmt man gewiß in der Gesellschaft so als einen, der darin anders ist. Aber ich mag es nun haben oder nicht, so bin ich überzeugt, daß ich im Handeln viel mehr beweise als diese Herren. Von dem, der Gabrielen zuletzt das über das Hei- raten sagte, und den ich künftig schlechthin den Gemütvollen nennen will, wissen wir jetzt auch so etwas. Der Hiesige hat ihm einen sehr wichtigen und freimütigen Brief über die Lage der Dinge ge- schrieben, und er, der sonst so fertig im Schreiben ist, hat noch nicht geantwortet, doch ist es so lange her, daß man annehmen kann, daß er auch nicht antworten wird. Ich habe die gewisse Meinung, daß der Staatskanzler erst das Neujahrsgeschenk vollenden will, ehe ich hinkomme, und bei der dortigen Art zu arbeiten, kann damit noch mehr Zeit vergehen als mein hiesiges Geschäft sogar bedarf. Ein Teil der Westfälischen Stände hatte mir neulich Glück gewünscht und mir über ihre Angelegenheiten geschrieben. Ich habe einem darunter, dem Grafen Nesselrode, geantwortet, weil ich die offizielle Antwort verschieben wollte, bis ich angetreten hätte. Er schreibt mir sehr hübsch darauf. Sie wären bis dahin gewohnt, nur die glatte, oft trügliche, immer evasive Sprache der Hofleute auf ihre Anträge zu hören, er hätte sich nun gefreut usw. Es ist wirklich entsetzlich von dem Staatskanzler und den Ministern, daß sie solche Antworten immer die Sekretäre machen lassen, die dann die Worte so lange drehen, bis weder Saft noch Blut mehr darin ist. Das ist gerade das, was man immer selbst machen muß. Adelchen bittet mich um die Erlaubnis, für Tegel vier Bett- stellen machen zu lassen. Sie kosten im Grunde sehr viel, allein gut liegen und die Nacht angenehm zubringen, ist eigentlich das, was dem Tag die Frohheit und Heiterkeit gibt. Ich liebe die Nacht außerordentlich, die Alten hatten so recht, sie eine große und ehr- 505