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[   Band 6 Brief 184:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 26. Februar 1819   ]


tiger und guter Brief ist. Von Bernstorff, von dem *), der mir
sonst durch August schreibt, erhielt ich keine Zeile. Es ist ganz
eigen, daß gerade einer, den ich nicht kenne und der mich nicht
kennt, den ich nur zweimal im Leben sah und mit dem ich nie über
einen wichtigen Gegenstand sprach, mit wahrhaft ausharrender Ge-
duld sich meiner Sache annimmt. Es gehört zu den Schicksalen
des Lebens, auf die man gar keine Rechnung machen kann, und
die einem wie eine Gunst des Himmels kommen. Dieser Brief,
ich leugne es nicht, änderte fast unmittelbar meine und noch mehr
des Hiesigen Ansicht. Er enthielt zwei Dinge, die man als Tat-
sachen ansehen konnte, die Stimmung des Königs und die Absichten
der Widersacher. Ich überlegte von da an die Sache aufs neue,
und ich glaube, daß auch Du jetzt mich billigen wirst, teures Kind.
Du hast auch lange das gesagt, was auch dieser Brief ausdrückt,
daß nämlich die Sache nicht eher ausgemacht und geendigt ist, ehe
ich nicht einmal wirklich darin gewesen bin. Es ist sonnenklar, daß
man gegen die Sache und mich meine Abwesenheit benutzt, und da
nun die Dinge einmal so unglücklich liegen, daß ich nicht anders
nach Berlin kommen kann, so blieb schon deshalb nichts als das
Annehmen übrig. Es ist allerdings jetzt eine harte Sache, im
Widerspruch und Kampf ein schon an und für sich schwieriges,
verwickeltes und von Hindernissen aller Art umgebenes Werk zu
beginnen. Allein zu solchen Unternehmungen muß man Mut und
Ruhe haben, und an beidem wird es mir nicht fehlen. Übrigens
aber bin ich doch weit entfernt, eigentliche Hoffnungen zu haben.
Es wird mir sehr schwer sein, das Gute durchzusetzen, selbst nur
das Nötige zu tun.

———
*) Prinz Wilhelm, Bruder des Königs.

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