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[   Band 6 Brief 172:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 28. Januar 1819   ]


alle Absicht, nur um mit Dir zu sein, und stehe nun an dem
Punkt, nach dem ich nie getrachtet habe. Die anderen wollen mich
auch nicht da und ziehen mich wider meinen Willen hin. Sie
werden es bereuen, ich hoffe, ich nicht. Der große Fehler des
Staatskanzlers, und der alles Schlimme, alles Halbe hervorgebracht
hat, ist, daß er nicht Sinn und Charakter dazu hat, ein großes
Geschäft frei mit anderen gleich Freien zu führen. Statt sich
Leute zu suchen, die neben ihm an der ersten Stelle stehen konnten,
raffte er immer neue Untergeordnete auf, behandelte noch die an-
dern wie Werkzeuge und entfernte sie, wenn es nicht ging. Jetzt
richtet ihn, und fast ohne daß sie sich ausspricht, die öffentliche
Meinung, und er tritt ab, ohne daß man ihn nur vermißt. Bloß
durch reines und uneigennütziges Verfolgen des entgegengesetzten
Weges muß man im jetzigen Augenblick viel ausrichten.


173. Caroline an Humboldt                      Rom, 30. Januar 1819

Das Wetter hat sich ganz geändert. Nach dem ununter-
brochensten schönen Wetter ist gräßlicher Sturm und
Regen eingetreten. Ich bemerke das nur in Hinsicht auf
mein Befinden, das sehr dadurch leidet. Der Sturm zumal ist mir
sehr zuwider und meine Schmerzen in den Gliedern nehmen in dem
Maße zu, wie er wütet.
Ich habe, teuerstes Herz, Deine Nr. 173 [vom 10. Januar]
vorgestern empfangen. Gestern war ein Tag, der mir in der Er-
innerung recht merkwürdig war. Es waren vierzehn Jahre, wo ich
am selbigen von Paris wiederkam. Theodor war wieder hergestellt,
Luischen war gestorben *). Du kamst mir mit Adelheid und Gabrielle

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*) Vgl. Bd. II, S. 269ff.

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