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[   Band 6 Brief 160:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 21. Dezember 1818   ]


rung wird zurückschrecken und alles vernichten, geht man aber
ohne Forderung, so wie es ist, hinein, so wird sich nach und nach
dasselbe erhalten lassen, so ist das erstlich sehr ungewiß, und diese
Manier schon darum unanwendbar, weil gleich jetzt die wichtigsten
Dinge gemacht werden müssen, und man nicht mit ihnen warten
kann, bis man sich nach und nach die rechte Lage gebildet hat. Da
Nibbio es gewiß gut und redlich meint, so kannst Du hierüber
vertraut mit ihm sprechen.
Also den lutherischen Prediger soll ich loben? Nun, wenn
Du willst und es sein muß, so will ich es tun. Aber verzeih mir,
teures Leben, Rom war so hübsch, als es für mich so heidnisch
war. Das katholische Wesen glitt nur so leise an einem vorbei,
und ich hatte es so nicht ungern. Der Mann dringt einem ja in
die Ohren und hat keine Ruhe, als bis man ihm ordentlich still
hält. Der Palast Tomati hat nie diese Töne gehört, und wir
waren doch recht gut und fromm da.
Bei Gelegenheit einer lateinischen Übersetzung der Elegie
Schlegels auf Rom hat man in den Heidelberger Jahrbüchern eine
gar nicht unebene Vergleichung meiner Stanzen mit der Elegie
gemacht, die das hübsche hat, daß ich zufrieden bin und Schlegel es
vielleicht auch sein wird. Man findet meine Stanzen sanfter und
gefühlvoller, mit einem Anstrich christlicher Frömmigkeit. Siehst Du?
Du schreibst, ich breche ab, um auszufahren und den herrlichen,
klaren Tag zu genießen. Ich kann sagen, ich breche ab, um aus-
zugehen und mich in Demut in den dunklen grauen Nebel zu fassen.
Aber es ist doch eher warm als kalt und kein Schnee.
Du erinnerst Dich so liebevoll unserer Ankunft in Rom. Wohl
liegt viel dazwischen. Aber wie unendlich glücklich hast Du mich
in der ganzen langen Zeit gemacht, wie unbeschreiblich gütig bist
Du gegen mich gewesen. Auch vorher immer, aber Rom macht
doch einen Abschnitt. Das Schicksal ist uns da zuerst ernst und

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