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[ Band 6 Brief 93: Humboldt an Caroline London, 16. Junius 1818 ]
tag dort verlebte. Die beiden Seen bleiben mir immer der In- begriff einer großen und wehmütig schönen Natur. Ob ich sie je wiedersehen werde? Hier, stelle Dir vor, ließ sich vor einigen Tagen plötzlich Leb- zeltern *) bei mir melden. Er macht eine Urlaubsreise von Petersburg nach Lissabon, wo sein Vater gestorben ist, wie Du vielleicht in Zei- tungen bemerkt hast, und bleibt nur einige Tage hier. Wir haben uns fast täglich in Gesellschaften gesehen, die hier nie abnehmen, und wo man sich ewig wieder trifft. Lebzeltern hat sich mit großer Teilnahme nach Dir und allen Kindern erkundigt. Er ist ganz wie er immer war, ein bißchen mehr, doch nicht sehr, von seiner Grandeur und der seines Hauses in Petersburg eingenommen. Er hatte das schon in Rom. Ich habe mich sehr gefreut, ihn wiederzusehen. Er erinnert einen an unendlich vieles, das man mit ihm erlebt hat, und er hat sich wirklich immer musterhaft betragen. Esterhazy, nicht Lebzeltern selbst, erzählte mir in strengem Vertrauen, daß Lebzeltern in Berlin gehört habe, daß ich meine Zurückberufung nicht erhalten, sondern der König mir antworten werde, daß er mich noch zu nötig hier brauche. Ich vermute, daß darin Mißverständnis ist. Man hat das vielleicht vom Abschied gemeint. Vom König konnte man übrigens noch gar nicht wissen, da er meinen Brief nicht erhalten hatte. Indes sehe ich doch voraus, daß man sehr leicht das Mittel ergreifen kann, mich mit den langweiligsten Zögerungen hinzuhalten. Ich möchte sogar nicht dafür stehen, daß der Prinz-Regent das unter der Hand in Berlin befördern ließe. Da ich mein Andringen immer fortsetzen werde, so muß es endlich freilich doch dahin kommen, daß ich weg- gehe, aber der Aufenthalt ist für uns ungemein fatal, und der ——— *) Ludwig Baron v. Lebzeltern, geb. 1774, † 1854, war von 1802—1809 Geschäftsträger, von 1814—1816 österreichischer Gesandter in Rom. 222