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[   Band 6 Brief 80:    Caroline an Humboldt     Rom, 5. Mai 1818   ]


80. Caroline an Humboldt                          Rom, 5. Mai 1818

Du hast wohl auch daran gedacht, meine liebe Seele, daß
heut Wilhelms Geburtstag ist, und welch einen großen,
wahrscheinlich lieben Sohn wir hätten, wenn das Schicksal
ihn nicht so früh von unserer Seite genommen hätte. Das Wieder-
kommen der Tage hat etwas sehr Eigenes, unaussprechlich Wehmütiges
und unaussprechlich Tröstendes, und wie mit inneren geistigen Augen
scheint’s mir den Strom der Zeit wahrzunehmen, wie alles Lebendige
aus ihm auftaucht, auf ihm schwimmt und wieder in ihn versinkt.
Nicht spurlos, denn alles, was einmal da war, läßt unbegreifliche
Spuren seines Daseins zurück, und aller Schmerz und alle Freude
gehören zu diesem Gewebe des Lebens.
Hier sind die Dinge wieder in großer Gährung. Die Engels-
burg ist voll der sogenannten Galantuomini, mit denen Verträge
abgeschlossen sind, und doch ist vor sechs Tagen ein Monsignor de
Gregori auf seinem Gut ohnweit Terracina, wo er unter 40 seiner
Arbeiter stand, von drei Räubern aufgehoben und 10000 Scudi
Lösegeld für ihn gefordert worden. Die Galeotti *) sind bis zu der
nicht unbedeutenden Anzahl von 3000 angewachsen. Alles das
macht einen wirklich traurig und über die Zukunft besorgt. Freilich
ist’s eigentlich der einzig wahre Trost und der einzig richtige
Gesichtspunkt, nie auf einige schmerzliche Details, sondern alle Dinge
der Welt im Ganzen und Großen anzusehen, aber wer kann es
immer! 

———
*) Galeerensträflinge.

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