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[   Band 6 Brief 74:    Caroline an Humboldt     Rom, 20. April 1818   ]


viele Stimmen für Dich geben, wenn der Schritt, den Du jetzt
getan hast, bei uns bekannt wird. Du darfst und mußt Dir sagen,
alle Besseren sehen Dich ungern da, wo Du bist.

                                                           Den 21.
Gestern mußte ich da schließen. Abends ging ich zur Marchesa
Massimi, die alle Montag seit einiger Zeit eine sogenannte deutsche
Gesellschaft gibt. Man hat so etwas Verrücktes nie gesehen. Ihre
Kinder, die alle Deutsch gelernt haben, wie man eben eine Sprache
lernt, die man nie als mit seinem Lehrmeister spricht, sprechen es
wie Taubstumme. Die Kinder spielen mit einigen andern Deutschen,
auch einem Marchese Antini, einem Römer, der Deutsch kann,
jeden Mittwoch ein oder zwei Proverbes, in denen nichts von Liebe
vorkommen darf. Liebe ist ein verpöntes Wort, die jungen Mädchen
sind mitunter Ehefrauen in dem Proverbe, mokieren sich über ihre
Männer usw. Das tut nichts, aber Liebe darf nicht genannt, nicht
berührt werden. Alles das geht in ein und demselben Salon vor
sich, in dem die Zuschauer sitzen, mehrere der fremden Akteurs
nehmen sich die Freiheit, die Rolle bloß abzulesen, sie sind nur
durch einen Vorhang getrennt, der die Kulissen vorstellt. Man hat
so etwas Tolles nie gesehen. Ich hatte es der Kaunitz versprochen
hinzukommen, aber da waren auch Portugiesen, Engländer und
Italiener, Kardinäle usw. Das Schauspiel ist so, daß es viel
schrecklicher für den ist, der es versteht, als für den, der es nicht
versteht.
Ich lege Dir das Gedicht des Prinzen von Bayern, an die
deutschen Künstler, bei. Es ist doch etwas darinnen, wennschon als
Gedicht mancher Fehler darin ist. Es wird Dich gewiß interessieren.
Ich fühle mich heut so angegriffen, daß ich aufhöre. . . .

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