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[   Band 6 Brief 38:    Humboldt an Caroline    London, 2. Januar 1818   ]


Wehmütiges kannst Du Dir nicht denken. Es war wie ein Geist
im Schattenreich.
Nachher mußte ich in die City fahren. Beim Rückweg, der
wohl zwei Stunden dauerte, hatte der Nebel so zugenommen, daß
man bloß Schritt fahren konnte, die Kutscher sich anriefen wie auf
der See, Jungens mit Fackeln herumgingen, und zuletzt nichts übrig
blieb, als daß mein Bedienter zu Fuß vor den Pferden herging,
um nur nicht die bekanntesten Straßen zu verfehlen. Einmal ist
es merkwürdig zu sehen, in einem halben Nebelflor lebt man ja
doch hier immer, da ist die kimmerische Nacht zur Veränderung
mehr poetisch. So endete hier das Jahr.
Ich sprach erst von den Werkstätten einiger Bildhauer hier.
Ich war bei zweien, Westmacott *) und Chantrey **). Der letzte
ist hier der geschätzetste. Ein Verdienst hat alle Kunst hier, so
wenig ich auch eigentlich von ihr halte, daß sie nicht die Art Ziererei
hat, die den Pariser Kunstwerken fast immer anklebt. Selbst das
Manierierte, was hier leider Malerei und Kupferstechkunst oft sehr
unleidlich hat, ist in Marmor unmöglich. Es ist also meist eine
gewisse Einfachheit und Schlichtheit in der hiesigen Bildhauerei.
Allein freilich auch meist Trockenheit und Abwesenheit von Grazie
und Genie zugleich, so daß sich auch wenig Bedeutendes davon
sagen läßt. Die Arbeit, die sehr zahlreich ist, beschränkt sich fast
ganz auf Grabmonumente oder Statuen nach dem Tode, wenn
sie auch nicht zu den Gräbern gehören. Es ist also immer Porträt
und immer ganz bekleidete Statuen, was schon eine große Einför-
migkeit gibt. Die Kostüme werden hier leichter als anderwärts,
da Richter, Geistliche usf. hier auch im Leben Mäntel und ein
mehr malerisches Kostüm haben. Chantrey besitzt unleugbar mehr
Grazie als Westmacott, aber dieser vielleicht wieder mehr Kenntnis

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*) Sir Richard Westmacott, geb. 1775, † 1856.
**) Francis Chantrey, geb. 1781, † 1842.

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