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[   Band 6 Brief 20:    Humboldt an Caroline    London, 19. November 1817   ]


Unsere Trennung kommt mir viel wehmütiger und zerreißender vor.
Die Jahre des ungestörten Genusses des Zusammenseins, deren wir
so viele hatten, knüpfen alle Bande fester, steigern die Sehnsucht
und machen das Gemüt wunder. Wann werde ich Dich wieder-
sehen, mein Einziges? Die Monate, die wir jetzt zusammen ver-
lebten, waren unendlich schön aber kurz, sie gehörten, dünkt mich,
zu den schönsten unter uns. Ich kann das, weiß Gott nicht sagen
daß Du nicht immer, auch sonst, gleich gütig und liebend gewesen
wärst, aber es war in all Deinem Wesen, in jedem Deiner Blicke,
Deiner Worte ein unnennbar fesselnder Reiz. Wenn ich Dich nur
auch recht froh und glücklich gemacht habe!
Lebe wohl, ewig geliebtes, teuerstes Herz. Umarme die lieben
Mädchen, denn Adelheid und August werden nicht mehr bei Dir sein.
                                                   Ewig Dein H.

21. Caroline an Humboldt                        Rom, 20. November 1817

Wir haben mit der letzten, vorgestern angekommenen Post,
süßestes Herz, keine neueren Briefe von Dir bekommen,
und die Sehnsucht waltet hier wie in dem neblichten
London. Ach, aber die ewige Klarheit dieses seligen Himmels, die
dunkle lichte Bläue des Gewölbes, das einen umschließt, die goldenen
Lichter des Abends, die Verklärung, die da aufgeht, wenn die
Sonne gesunken, stimmt mich in ewiggegenwärtigen Gedanken an
Dich, mein teures Herz, der Du das alles erkanntest und fühltest,
zu einer tiefen, süßen, unaussprechlichen Wehmut. So fern und
so dunkel muß ich mir Dich denken, dessen Seele und Gemüt klar,
mild und still wie dieser Himmel ist. Warum kannst Du ihn nicht
genießen?
Gestern abend waren eine Unzahl Menschen bei mir, weil wir

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