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[ Band 6 Brief 1: Humboldt an Caroline London, 6. Oktober 1817, Brunets Hotel, ]
Tag wurden wir um 6 ins Schiff beschieden, der Wind war aber so ungünstig und heftig zugleich, daß der Kapitän nicht einmal die Anker lichtete, sondern uns nach einer halben Stunde wieder zum Wirtshaus entließ, wo wir den ganzen Tag und die Nacht bleiben mußten. Gegen Abend ging ich mit Bülow an dem Hafen spazieren, die Sonne zeigte und verbarg sich wunderbar abwechselnd zwischen den dicken und dunkelen Windwolken, und endlich trat sie in einer Flut von Glanz unter der schwärzesten hervor und ging so, an der Seite des Wassers, wo man kaum ein Ufer sah, in himmlischer Pracht unter. Ich habe Deiner mit großer Lebhaftig- keit gedacht, seit Italien hatte ich die Sonne nicht im Meer unter- gehen sehen, wie ich in Marino wohnte, fehlte mir immer etwas, wenn ich das verfehlen mußte. Wir waren damals auch getrennt, und ich gedachte Deiner wie jetzt. Die Gestirne vereinigen ja allein die Getrennten. Den nächsten Morgen waren wir wieder im Schiff. Es stürmte stark und entgegen, indes begünstigte uns die Ebbe, und wir fuhren ab. Wohl zwei Stunden lang schien es noch immer, als müßten wir wieder zurück, allein der Kapitän setzte es durch, und wir kamen in die See, wo nun nichts mehr zu fürchten war, und wir gewiß weiter kamen. Kurz darauf wandte sich auch der Wind, aber die See war, wie mir der Kapitän erklärte, noch in der vorigen entgegengesetzten Bewegung, und der nunmehr geänderte Wind kämpfte gegen sie wohl zwei Stunden, ehe er ihrer Herr werden konnte. Es war ein himmlisches Schauspiel. Das Meer war anfangs recht schön grün, nun wurde es ganz schwarz, und nah und fern sah man Schaum; die Wellen türmten sich in recht hohe Hügel, und das Schiff, das man mit den Segeln ganz auf eine Seite gelegt hatte, fuhr bald vorn, bald hinten sehr tief zwischen hin. Einige Male tauchte, was besonders schön aussah, der Bugsprit (die vorstehende Maststange) in die Flut. Kurz, man hatte ohne 3