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[   Band 6:    Überblick   ]


Am 3. November trifft Humboldt in Aachen ein. Das
Verhältnis zu Hardenberg, der schon aus äußeren Gründen jeden
öffentlichen Bruch vermeiden wollte, blieb scheinbar das alte,
auch eine »in alle Tiefen der Sache« eingehende Unterredung
verlief freundschaftlich, Humboldt setzte es sogar durch, ganz von
dem Londoner Posten loszukommen. Auch mündlich sucht der
Staatskanzler Humboldt zur Annahme irgend eines Postens zu
bewegen, ja er bietet ihm den eines dirigierenden Ministers in
den Rheinprovinzen, in völliger Unabhängigkeit von den Mi-
nisterien an, nur um ihn nicht unbesoldet im Staatsrat zu haben,
um seine Kritik, seine Mitarbeit am Verfassungsentwurf zu ver-
meiden. Das gerade sah Humboldt aber als seine erste und
wichtigste PfIicht an, und so war eine Verständigung nicht möglich.
Die Verschiedenheit in der Auffassung des Staatskanzleramts
und damit der Verwaltungs-Grundsätze mußte zum Kampf führen.
Humboldt ging Anfang Dezember nach Frankfurt und be-
rechnete seinen Aufenthalt dort auf einen Monat. Caroline aber
sieht voraus, daß er länger dort festgehalten werden würde, sie
durchschaut die Unausführbarkeit der Hardenbergschen Vorschläge,
sie möchte den Gatten zur Tat, zum offenen Bruch mit dem
Kanzler drängen. Sie findet flammende Worte gegen Hardenberg,
den sie als »nicht wahr und nicht treu« erkannt hat. Sie will
ihn nicht mehr geschont wissen auf Kosten von Humboldts Ruf.
Sie weiß sehr wohl, daß gerade in dem, was Humboldts über-
ragende Größe ausmacht, auch das Hindernis liegt für seinen
Erfolg als Staatsmann. »Wer mit regieren will«, ruft sie ihm zu,
»muß sich nicht scheuen, die Erde zu berühren.«
Im Publikum wurde der Wunsch nach Humboldt an leitender
Stelle immer lauter, immer dringender, die Besten der Nation
setzten ihre Hoffnungen, ihre Erwartungen auf ihn. Beim König
wirkte Witzleben, der Chef des Militärkabinetts und vortragender

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