< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 5 Brief 190:    Caroline an Humboldt     Rom, 27. September 1817   ]


190. Caroline an Humboldt              Rom, 27. September 1817

Ich bin gestern durch Deine Nummer 44 vom 7. und 8.
September freundlich überrascht worden, mein geliebtes,
teures Herz. . . . Der Sommer ist schlimm hier gewesen,
das Thermometer beinah unwandelbar auf 32 1/2 Grad, die Menschen
sprechen einem mit einer Art Schauder davon.
Aber Deine Aventüre mit Frau v. Kalb habe ich recht
lachen müssen. Man hätte seinen letzten Heller hergegeben, um
das Gedicht nicht zu hören. Die arme, unglückliche, beinah blinde
Frau hat ein traurig Alter.
Du fragst nach Gabriellen? Schlafen und vermutlich süß
träumen tut sie vortrefflich, und so lang man sie nur irgend schlafen
läßt, das Essen schmeckt trotz der Verliebtheit auch gut, und sie
sieht so blühend wie nur irgend in Deutschland aus. Ein Klavier
hatten wir in Ischia nicht, aber doch einige Bücher, mitgebrachte
und von Frau v. Ramdohr hier. Gabrielle hat unter andern die
Weltgeschichte von Becker in zehn Teilen dort gelesen. Dann
nimmt das Schreiben viel Zeit, wenn es auch nicht Folianten
werden. Sie schreibt und liest dabei ihres Heinrichs Briefe und
träumt sich in die süße Vergangenheit und Zukunft. Außerdem
hielt ich aufs Spazierengehen, zuweilen ritten wir auch auf Eseln
umher, und dann verlangte ich manchen kleinen Dienst für mich
und Caroline. Ich glaube, es ist gut, die Gewohnheit der zuvor-
kommenden Aufmerksamkeit in einem jungen und gesunden Mädchen,
wie sie ist, zu erhalten. Sie hat auch ein sehr liebevolles Gemüt.
Hier wird sie nun wieder Musikstunden nehmen, und ich will sie
auch bitten, sich mit dem Italienischen zu beschäftigen. Zur Musik
hat sie in der Tat Talent.
Ich habe in Lacco den Tacitus in einer Übersetzung von einem
gewissen Barth gelesen und zwar mit dem größten Interesse. Tief

                                                                       400