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[   Band 5 Brief 159:    Humboldt an Caroline    Berlin, 17. Junius 1817   ]


wie aus eigener Zusammenstimmung sich zusammenfügt. So war
es zwischen uns beiden. Wir haben gewiß sehr einer auf den
andern gewirkt, und es ist für den, der uns tief kennt, in beiden
sichtbar, daß wir miteinander gelebt haben und leben. Aber jeder
behält doch seine volle Eigentümlichkeit, und die Freiheit der
eigenen Entwicklung leidet nicht. In späteren Jahren fühlt sich
der Vorzug dieser Verbindungen noch schöner. Es ist nun der volle
Genuß der Reife, des erprüften Charakters, und es gäbe kaum
einen höheren als den recht tiefen, recht anschaulichen einer großen
und schönen Individualität, selbst wenn es nicht die des geliebten
Wesens wäre. Wie nun dann, wenn das noch hinzukommt. Bei
alle dem werden die Leute nicht aufhören, sich zu jung zu ver-
heiraten, und wir selbst werden das Exempel erleben. Was kann
man machen? Die Welt geht so nach natürlichen Richtungen
hin, aus denen sich die idealischen erst entwickeln müssen, die aber
diese auch oft ableiten und hemmen. Wenn man nicht in sich die
Überzeugung trüge, daß doch das alles nur Beginn ist und das
Aufstreben und Leben fortdauert, wie es auch sein mag, so wäre
es wohl manchmal traurig. So ist's ein Schauspiel im höchsten
Verstande des Worts, in dem der Ernst immer nur der Wirklich-
keit angehört, und alles wahrhaft Überirdische ein unendliches und
freies, ungebundenes Spiel ist, ein Schauspiel, in dem man sich
freut und freilich auch viel leidet, aber am Ende immer zu weh-
mütiger Heiterkeit zurückkehrt.
Zu Prinzessin Luise gehe ich jetzt immer die Tage, wo sie
nicht öffentlich annimmt, und es herrscht da die alte Vertraulichkeit.
Ich muß heute hier schließen, teures Wesen. Lebe wohl!

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