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[   Band 5 Brief 145:    Humboldt an Caroline    Berlin, 12. Mai 1817   ]


sorgnis hingeben. Ich glaube sehr daran, daß man nicht eher
stirbt, als bis man selbst aus innerem Trieb, über den man frei-
lich auch nicht Herr ist, das Leben losläßt, und so hat man viel-
leicht auch dies in seiner Gewalt. Ich weiß aber nicht, wie ich
so weit abgekommen bin vom Nächsten, das uns umgibt.
Nun lebe wohl, mein ewig liebes holdes Herz. Umarme alle
Kinder, und denke an mich bei der Pyramide, die ich vielleicht nie
wiedersehe. Ewig Dein H.


146. Humboldt an Caroline                          Berlin, 18. Mai 1817

Ich sah, wie ich gestern vor dem Komödienhause vorbeiging,
daß Egmont gegeben wurde, und es zog mich an, hin-
einzugehen. Es wurde zwar höchst mittelmäßig gespielt,
allein ich bin doch sehr gern darin gewesen. Wie solch ein Stück
auch gegeben werden mag, bringt es immer einen großen Eindruck
hervor. Nur haben sie es sehr verstümmelt. Die schönen Scenen
von Clärchen werden mit Auslassung der hübschesten und naivsten
Stellen gegeben. Was sie Egmont von der Regentin sagt und
alle ihre Fragen bleiben weg und ebenso das kleine Lied: Welch
Glück sondergleichen. Das Ende mit dem Traum ist, wie man es
hier macht, auch kindisch. Es wird wie ein wahrer Traum ange-
sehen. Er schläft ein, wacht auf, und wird endlich abgeführt.
Nun aber sieht man doch den Traum vor Augen. Sich nun
vorstellen zu müssen, daß das eine wahre Erscheinung ist, die
Egmont nur für einen Traum hält, ist sehr kleinlich. Viel besser
war es, den Zuschauer über die Lösung in Zweifel zu lassen und
den Vorhang noch während der Erscheinung niederzuziehen. —
Nachher bin ich noch lange Unter den Linden herumgegangen.
Das Wetter war zwar gar nicht freundlich, aber der Himmel war

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