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[   Band 5 Brief 143:    Caroline an Humboldt     Innsbruck, 3. Mai 1817   ]


allein seit wir die Berge hinter uns haben, scheint auch sie durch
den Einfluß der Luft zu gewinnen. Die Gesichtsschmerzen haben
abgenommen, ihre Heiterkeit hat aber beim ersten Wort Italienisch
so auffallend zugenommen, daß August sagt, er hätte sie noch
gar nicht so gesehen.
Nun lebe wohl, mein teures Herz. Wir wollen nun unsere
Pflicht tun und Veronas Merkwürdigkeiten sehen. Ewig Dein
und tausend Grüße der Kinder. Wie sehr habe ich am 5. Wil-
helms gedacht. Ach Gott!


144. Caroline an Humboldt                    Venedig, 11. Mai 1817, abends

In Verona habe ich noch eine recht unerwartete Freude
gehabt. Nachdem ich meinen Brief an Dich gesiegelt
und durch Peter auf die Post gesandt, brachte er mir
Deine lieben Zeilen vom 29., die auch ein Briefchen von Bülow
für Gabrielle enthielten. Unsere Freude war um so größer, da
wir die Hoffnung aufgegeben hatten. Tausend Dank, meine liebe,
süße Seele! Ach ja, Italien grüße ich recht in Deiner Seele.
Wer hat seinen Reiz, seine Tiefe mehr empfunden wie Du!? Es
ist auch ein eigenes Gefühl, mit dem ich das herrliche Land wieder-
sehe. Vieles, merk ich, dringt mir erst jetzt recht in die Seele,
wird erst jetzt so recht von mir verstanden. Hat die Sehnsucht,
hat die Reise des Lebens mich erst so gemacht, ich weiß es nicht,
aber alle Liebe, alle Innigkeit, der kunstverständige Fleiß der großen
Maler, ihr inneres Leben, das sie dargestellt haben in unsterblichen
Werken, dringt so auf mich ein, daß mich eine recht lebendige
Ahndung jener Zeit, und, wenn ich mich so ausdrücken darf, jener
Form der Menschheit übernimmt. Venedig hat mich durch seine
Schönheit aufs neue unendlich ergriffen. Die Markuskirche, der

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