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[ Band 5 Brief 108: Humboldt an Caroline Frankfurt, 13. Mai 1816 ]
derbarerweise hat er doch in sich die Überzeugung, daß, wenn er nicht mehr in Geschäften ist, sein Leben auch keinen Wert mehr als höchstens für seinen eigenen Genuß hat. Was er sonst tut und treibt, kommt ihm bloß wie ein Spiel vor, so tief und ernst- haft er sich auch mit einigen Dingen, namentlich mit deutscher Ge- schichte beschäftigt. Daß Du wieder gelitten hast, schmerzt mich unendlich. . . . Sage immer, teures Kind, »bleibe mir gut«. Es ist noch viel süßer es zu hören. Aber sicher kannst Du gewiß sein. Die Leute nennen mich kalt und so umgränzt in mir, daß ich keines Menschen bedürfe. Zum Teil ist es auch nicht unwahr. Aber es ist es nur mit Ausnahme von Dir. Du bist so in alles mein Denken und Sein verwebt, daß ich ohne die Gewißheit Deiner Liebe nicht leben könnte, und ohne Dich selbst nur so, daß ich in jeder Minute, wie ich erwache bis ich einschlafe, fühle, daß keine Entbehrung auf Erden mir gleich schmerzlich sein würde. Darum wünsche ich Dich ganz meinetwegen zu mir her, das leugne ich nicht. Aber dann bin ich doch auch überzeugt, daß, wenn Du nicht Dich darum nun wieder von den Kindern trennen müßtest, Du selbst glücklicher bei mir bist. Wenn Du so allein mit den Kindern bist, wie lieb sie Dich auch haben, lebst Du eigentlich für sie. Wenn Du mit mir bist, ist doch einer, der gewiß ganz für Dich lebt und nichts anderes wünscht und will. Dann ist doch auch eine andere Vertraulichkeit unter uns, und in vielem, was in Dir ist, kann nur ich Dich ver- stehen und Dir begegnen. Wenn ich nicht darauf rechnete, nicht überzeugt wäre, daß Du gewiß mit mir zufrieden sein wirst, ertrüge ich den Gedanken nicht, Dich so aus einem Verhältnis zu reißen, das Dir sonst vielen Genuß gibt. Lebe wohl, meine inniggeliebte Seele. Ewig Dein H. 247