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[ Band 5 Brief 105: Caroline an Humboldt Berlin, 6. Mai 1816 ]
105. Caroline an Humboldt Berlin, 6. Mai 1816 Es ist die erste sichere Gelegenheit, die sich mir darbietet, Dir zu schreiben, geliebtes Herz, seitdem Du mir über den einfältigen Klatsch, den man mir bei Gneisenau ge- macht hat, geschrieben hast. Ich leugne Dir nicht, daß er mir empfindlich und schmerzlich gewesen ist. Ich habe nicht ganz die Geistesruhe, die Du in solchen Dingen hast, und es berührt in mir tiefere Seiten des Gemüts, weil es einmal meiner Natur eigen ist, Menschen, Begebenheiten nicht allein mit dem Verstande, sondern mit der Inspiration des Gemüts zu messen. Daher schmerzt es mich auf doppelte Weise, wenn ich falsch beurteilt werde. Dir ist es am besten bekannt, was ich von Gneisenau immer gedacht habe, aber ich hätte denken sollen, daß die Art, wie ich es ihm selbst ge- zeigt habe, ihm keinen Zweifel über die Wahrhaftigkeit meiner Ge- sinnungen hätte lassen können, und insofern schmerzt es mich doch auch von ihm, daß er solchen Lügen Gehör hat geben können. Was die Verleumdung selbst betrifft, so beweist sie mir, daß es hier Menschen gibt, die einem direkt zu schaden streben, vielleicht auf weitaussehende Zeit hin, die Vereinigung gut- und kräftig gesinnter Menschen zu untergraben suchen. Mir sucht man verleumdende Redensarten in den Mund zu legen, Dir schiebt man Pläne un- ersättlichen Ehrgeizes unter und verbreitet unter der Hand, daß man Dich darum nicht ins Ministerium nehmen könne, weil bei allen großen Talenten, unermüdlichem Fleiß usw. Du immer höher streben, und Dich nur mit der Stelle des Staatskanzlers begnügen würdest. Über Gneisenau läßt man für das Militärische ungefähr dieselben Absichten kursieren. Es gibt hier eine Partei, die das Eminente in jeder Art gern zurückdrängt, das ist gewiß, und die dem per- sönlichen Interesse selbst das Verdienst, was nicht abzuleugnen ist, unterordnet. Kunth wird Dir mündlich aufs klarste auseinander 239