< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 5 Brief 94:    Caroline an Humboldt     Berlin, 26. März 1816   ]


wußte. Ihr Übel war ein unerträglicher Kopfschmerz auf der linken
Seite und Schmerzen in der Milz. Sie geriet in einen traumähnlichen
Zustand mit offenen Augen, wo sie Dinge gegenwärtig, Menschen
und Gegenden beschrieb, die sie nie gesehen, nie hatte nennen hören.
So zeigte ihr dieser wache Traum das Zimmer Wolfarts mit dem
Baquet, den Professor selbst, und sie beschrieb ihn und das Ba-
quet (sie kannte aber weder diesen Namen noch den des Professors
wachend) so haarklein, daß ihre Mutter, die Witwe eines Super-
intendenten, alles aufzeichnen konnte. Sie sah darauf ihre ganze
Behandlung, und wie sie genesen würde. Man brachte sie hierher.
Sie konnte seit einigen Jahren nicht gehen und nicht essen. Sie
lebt auch jetzt nur von magnetistertem Wasser und von einer Tasse
Kaffee am Morgen. Doch fängt sie an, aufzustehen. Sie hat ein
äußerst sanftes, beinah verklärtes Gesicht, und wenn sie jetzt schläft,
spricht sie in sehr guten Versen, ihre Reden haben durchaus immer
eine religiöse Tendenz und den Anklang eines verklärten Seins.
Ihr Kopfschmerz hat sich in einen Abzeß aufgelöst, der durch das
Ohr abgeflossen ist. Ich weiß, daß Koreff kürzlich einmal mit
jemand bei ihr war, dem sie auf sein Befragen einen Traum gesagt
hat, den er vor einigen Jahren gehabt hat, und der ihm äußerst
merkwürdig und erinnerlich war. Dies ist das, was Koreff so frap-
piert hat.
Ich bin heute abend bei Schleiermachers und werde suchen,
die Konfirmation der Gabrielle auf einen bestimmten Tag zu fixiren.
Schleiermacher gehört auch zu denen, die nie ein Ende machen,
wenn nur noch ein kleiner Raum Zeit sich zeigt.
Den 10. Mai möchte ich von hier abreisen. . . .

                                                                       213