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[ Band 5 Brief 85: Humboldt an Caroline Frankfurt, 29. Februar 1816 ]
fortkommen. Wenn man die auszieht, so leuchtet wohl der ganze Körper? Das muß ja die Nacht ganz wunderbar aussehen. Also Niebuhr fürchtet sich wirklich vor der Pest. Ich halte gar nicht so viel von dem Mut, auch die Furcht ist eine Göttin, und Paris sagt ganz recht, daß man keine verschmähen muß. Allein den inneren Mut vor dem Tode auch nicht einmal zu haben, sich vor einer Krankheit zu fürchten, und das nicht zu vergessen, wenn man ein neues Land und ein solches bewohnen soll, das ist wirklich eine Sklaverei und keine ehrenvolle. Obgleich wirklich ich nun glaube, daß mein Aufenthalt sich seinem Ende naht, so kann ich darum leicht noch bis Mitte und vielleicht Ende Mais hier sein. Rechbergs *) Ankunft hier wird ein Hauptbestimmungspunkt sein. Von da an kann es nicht leicht über sechs Wochen dauern. Ich gehe sehr ungern von hier weg, dieser einsame Winter wird mir für mein inneres Leben immer merkwürdig bleiben. Man gewinnt eine ganz andere Wärme und Festigkeit allein als unter den Menschen, und ich habe aufs neue mit recht wahrer Freude erkannt, wie unabhängig ich von allem Äußeren bin. Ich kann nicht sagen, daß ich, außer den Ge- schäften, deren ich seit einigen Wochen sehr viele habe, weil man mich nach und nach zu einem Mittelpunkt von allem macht, was hier herum zu betreiben ist, viel eigentlich hier getan habe. Der Agamemnon war fast fertig und die Einleitung doch nur eine Arbeit weniger Tage. Aber ich habe recht eigentlich über mir selbst gebrütet, was für einen selbst immer das Nützlichste ist, weil es einen so in sich befestigt, daß man ziemlich sicher ist, nicht aus seinem Gleise gebracht zu werden. Über die Larochejacquelein denke ich wie Du. Es ist wirk- lich ein antikes Buch und beweist recht gegen die Menschen, die den Franzosen so blindweg alles absprechen, und dann auch wieder ——— *) Alois Graf v. Rechberg, geb. 1766, † 1840, Bayrischer Minister. 195