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[   Band 5 Brief 69:    Caroline an Humboldt     Berlin, 23. Dezember 1815   ]


Der Kronprinz, hieß es schon hier im vorigen Jahre, wollte den
Dom ausbauen lassen, wenn er einmal zur Regierung kommen
werde. Auch der König soll einen außerordentlichen Wohlgefallen
daran bezeigt haben. Ich werde schon hier auch darüber zu reden
bekommen.
Daß Du so rege wieder im Altertum lebst, hat für mich
einen eigenen Reiz und macht mir eine große Freude, denn ich
weiß, daß diese einzig großen Gestalten des Altertums Dich mehr
erfüllen wie alles, was in der Gegenwart vorgeht.


70. Caroline an Humboldt                 Berlin, 29. Dezember 1815

Liebstes Herz!
Gestern gegen Abend war der Staatskanzler hier mit seinem
Bruder. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie freundlich
und gut er war und über Dich sprach. Er ist einer von
den Menschen, die einem bald das Herz in dem tiefen Busen lösen.
Ich hätte vielleicht noch mehr und inniger mit ihm gesprochen,
wäre der Bruder nicht bei ihm gewesen, der mir eine nicht solch
Vertrauen einflößende Gestalt war. Der Kanzler hat für mich
das einnehmendste Äußere, was man haben kann, Würde, Milde,
Lebhaftigkeit und einen durchgehend liberalen Zug in allem, was er
sagt. Ich möchte, ich könnte ihn oft sehen, er tut mir wohl. Ich
möchte ihm etwas sein können. Er frug nach meiner Reise zu
Dir nach Frankfurt, ich sagte ihm, wie und warum ich darauf
Verzicht leisten müßte und jetzt nur darauf dächte, Dir nach Paris
sobald als möglich zu folgen. Ich setzte scherzend hinzu: »Da Sie
uns nicht hierbehalten wollen.« Er erwiderte den Scherz und sagte:
»Sie wollen ja nicht in Berlin bleiben,« worauf ich ganz einfach
antwortete, wie ich es meine: »O sehr gern, versuchen Sie es nur.«

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