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[ Band 5 Brief 54: Humboldt an Caroline Paris, 10. November 1815 ]
54. Humboldt an Caroline Paris, 10. November 1815 Es ist 1 Uhr nachts, liebes Herz, und die Leute gehen eben aus der Konferenz von mir weg. Da ich aber von morgen früh an gleich belagert sein werde, so will ich Dir doch lieber noch heute einige Worte sagen. Ich habe Deinen süßen Brief vom 2. bekommen. Es hat mich sehr glücklich gemacht, zu sehen, daß Du wirklich Lust hättest, mich in Frankfurt zu besuchen. Ich würde mich unendlich freuen, Dich zu sehen. Für die Kinder, dächt ich, ließe sich Rat schaffen. Sollte die Stock *) nicht Dir zu Gefallen so lange in Deine Wohnung ziehen? Ob sie gleich auch unverhei- ratet ist, hat sie so ein anständiges Alter, daß dagegen wohl nichts zu sagen wäre. Von der Herz **) weiß ich nicht, ob sie den Mädchen so angenehm sein möchte. Aber die wichtigste Einwendung gegen die Reise scheint mir der Winter, die Wege und die Anstrengung. Auch müßtest Du jemand haben, der Dich begleitet. Sich so viel Mühe zu geben, bloß um mich zu sehen, kommt mir selbst ganz wunderbar vor, und ich kann es Dir auf keine Weise zumuten, teures Kind. Aber mit Dir, auch selbst nur kurz zu sein, würde mir wie die Stillung einer langen Sehnsucht gelten. Selbst daß Du ganz allein kämst, so unendlich lieb ich auch die Kinder habe, hätte einen eigenen Reiz. Ich werde im Mohrengarten wohnen. Der Tag unserer Ab- reise läßt sich zwar noch nicht bestimmen, allein es ist jetzt alles zu wetten, daß wir in der künftigen Woche fortkommen. Ich ar- beite dazu, wie Du siehst, Tag und Nacht. In Frankfurt hoffe ich, in der ersten Zeit wenigstens, desto müßiger zu sein. Es geht mir darin sehr närrisch und recht meiner Natur gemäß. Ich kann ——— *) Dora Stock, Tante Theodor Körners. **) Henriette Herz, geb. 1764, † 1847, Jugendfreundin Humboldts. Vgl. Band I. 120