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[ Band 5 Brief 52: Humboldt an Caroline Paris, 4. November 1815 ]
man dann mit diesen aus einer Ecke Europas in die andere. Es ist aber keine gute Manier, eine große Stetigkeit ist den Menschen und den Sachen heilsamer. Ich für mich freue mich sehr auf den Aufenthalt in Frankfurt. Ich sehne mich nach Deutschland und nach Einsamkeit. In Frankfurt brauche ich nicht viel in Gesell- schaft zu gehen und werde es also auch nicht tun. Einige Menschen, wie z. B. Schlosser, sehe ich gern. *) Mit dem Staatskanzler geht es zwar im ganzen nicht übel, aber seine Gesundheit hat doch bedeutend und wesentlich gelitten. Nur hoffe ich immer, sie stellt sich bei seiner wundervoll starken Konstitution in Berlin wieder her. Aber die, die ihn bei seiner jetzigen Rückkehr mit der Zeit vergleichen werden, wie er 1813 Berlin verließ, werden einen sehr bedeutenden und unangenehm auffallenden Unterschied finden. Verdruß und Kummer tun auch nicht wenig manchmal dazu. Der preußische Staat ist jetzt der schwierigste zu regieren, und eine treffliche und recht das innere Edle feiner Natur beweisende Eigenschaft des Kanzlers, alle Kräfte immer anzuregen und nie eine als zu ausgreifend zurückzuweisen, hat die Schwierig- keit vermehrt. So fängt es an, selten zu werden, daß einer, der einen bedeutenden Platz hat, gehorcht, und jeder greift über in das, was auch nicht bestimmt seines Amtes ist. Mit der neuen Konstitution hat der Kanzler sich wieder eine große Verlegenheit bereitet. Ich hätte nicht eine bloße, ganz unbe- stimmte Hoffnung erregende Ankündigung gemacht. Die Sache ist sehr gut und sogar notwendig, aber sie ist auch unter den gege- benen Umständen höchst schwierig, und nie hätte man durch eine so unbestimmte Ankündigung allen Ansprüchen dergestalt die Tür öffnen müssen. Der arme alte Blücher hat sich die Schulter neulich bei einem Sturz mit dem Pferde ausgefallen. Er ist aber doch abgereist und ——— *) Fritz Schlosser, Neffe von Goethes Schwager. 117