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[ Band 5 Brief 40: Humboldt an Caroline Paris, 4. Oktober 1815 ]
nur, weil er mich nicht betrüben und mich nicht in Ver- legenheit setzen wollte. Auch war es wirklich schlimmer, als Dir zu schreiben. Er mußte einsehen, daß die Schwierigkeiten, die er macht, unsere Trennung verlängerten, mir das nun selbst zu sagen, mit mir darüber zu reden, Du empfindest, wie das gewesen wäre. Engherzig ist die Ansicht und die Art des Benehmens und Schreibens freilich. Allein, süße, teure Li, darüber dürfen wir uns keine Täuschung machen. August hat wirklich eine unendlich große Leidenschaft für Adelheid, eine solche Leidenschaft fordert ein großes Gemüt, ein größeres, als er hat, als ich ihm auch je zu- getraut habe. Neben dieser Leidenschaft drängen sich religiöse, vaterländische, sogar ritterliche Ideen *) in ihm zusammen, da fehlt es denn natürlich an der Freiheit, an der Größe der Empfindung, die Du, aus der Erfahrung Deiner eigenen schönen, freien, großen Natur vorauszusetzen gewohnt bist. So ist er nicht, so kann er nicht sein. Seine Leidenschaft unterjocht, zwingt, ängstigt sogar leicht seine Natur, statt daß diese sie in sich aufnehmen und eins mit ihr werden sollte. Es ist auch nicht zu leugnen, daß darum auf der einen Seite seine Leidenschaft eigensüchtiger ist, als es schön ist, und auf der anderen gleichsam beschränkt durch Pflichtbegriffe, die von selbst aus ihr hervorgehen sollten. Da Adel ihn ebenso liebt und so jung ist, wird alles gewiß gut gehen. Aber wenn je der Fall käme, daß Adelheid, wie es doch so leicht möglich ist und so gar nicht getadelt werden kann, einmal die unschuldigste Neigung für einen anderen faßte, so weiß ich nicht, wie unglücklich er werden könnte. Darum muß man ja leise gehen und nie die mindeste Störung eintreten lassen. Wohl sagst Du mit Recht, teures Kind, daß alles auf uns zurückfällt, ich kann Dir nicht be- ——— *) Das Ritterliche in Hedemanns Wesen war so hervortretend, daß er später im Bekanntenkreise nur »der Ritter« genannt wurde. 90