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[ Band 5 Brief 34: Humboldt an Caroline Paris, 23. September 1815 ]
34. Humboldt an Caroline Paris, 23. September 1815 Ich habe gestern abend spät Deinen Brief vom 14. bekommen, liebe Li, und danke Dir unendlich, daß Du mir so aus tiefer und ganzer Seele darin schreibst. Wenn Du auch wehmütig gestimmt bist, unterdrücke es nicht vor mir. Das ganze innere Leben ist eigentlich eine fortwährende Wehmut, Schmerz und Freude gehen in Grenzen, die keiner mehr zu unterscheiden vermag, ineinander über, und das stille Brüten über der Empfindung, in die der ganze Strom der Begebenheiten, die das Leben hindurch geschmerzt und gefreut haben, sich zusammendrängt, ist das tiefe und eigentliche Glück. Ich muß Dir in allem beistimmen, was Du über Dein Bleiben und die Sorge für Carolinen sagst, süßes, teures Herz. Du bist die Liebe selbst, und das stete Wirken dieser Liebe auf Carolinen muß und wird auch auf ihren Charakter und ihr ganzes künftiges Leben einen unendlich wohltätigen Einfluß haben. Unsere fortge- setzte Trennung schmerzt mich freilich dabei mehr, als ich es Dir sagen kann. So vollendet das dritte Jahr, in dem wir den schönsten und reinsten Lebensgenuß entbehren, und wer weiß, was die Folge für neue Hindernisse uns in den Weg schiebt. Ich habe viel und genau überlegt, ob und wie ich von dieser Stelle loskommen könnte, die mit dem, was sie im vorigen Jahre war, nicht mehr zu ver- gleichen ist. Ich will nicht davon reden, daß Frankreich auch im Innern jetzt noch weniger Ruhe verspricht als damals, dies kann vielmehr den Posten innerlich interessanter machen; allein was ihn mir jetzt verleidet, ist, daß eine beträchtliche Menge von Truppen werden in Frankreich selbst stehen bleiben, und es daher ein fort- dauerndes unangenehmes Verhältnis schon darum zwischen den Verbündeten und der Regierung geben wird. Es ist aber keine Möglichkeit, mich davon loszumachen. Obgleich ich selbst bei 76