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[ Band 5 Brief 26: Caroline an Humboldt Berlin, 4. September 1815 ]
hören, die allgemeine Ansicht ist wohl mehr die, daß er den Staats- kanzler abhalten werde, unvorteilhafte Bedingungen für Preußen zu machen. Der gute Staatskanzler ist nicht geliebt, und weil die Resultate der Diplomatik nie glänzend wie die einer Campagne sein können, so wirft beinah ein jeder einen Stein auf ihn. August hat an seine Mutter so pressant über ein Quartier geschrieben, als wenn er den 1. Oktober hier sein könnte. Ich mußte, um nur die Mutter zu steuern, ihr sagen, wie ich über mein Hierbleiben denke. August scheint versessen darauf zu sein, mit Adelheid allein zu sein. Hermann und Heyse können aber meiner Einsicht nach recht gut mit in dem Ölsenschen Hause wohnen, denn ich wüßte nicht, was August und Adelheid mit dem weit- läufigen Quartier machen wollten. Du führst unser Beispiel an, mein Süßes, aber andere Zeiten, andere Sitten. Ich glaube behaupten zu können, daß eigentlich nur sehr wenig Menschen so einfach wie wir von Natur sind. Unsere Kinder sind es schon bei weitem nicht. Am meisten noch ist es Caroline. Ja wohl hat August mitunter sonderbare Ideen über das eheliche Verhältnis. Gabrielle liebt er so, daß, wenn er nicht Adel- heid geliebt hätte, er unstreitig unendlich verliebt in Gabriellen ge- worden wäre. Man macht hier Wetten auf Neys Leben und Begnadigung. Ich muß gestehen, auch ich glaube nicht, daß er verurteilt wird. Labédoyère ist der Sündenbock gewesen. Heimlich wird man sagen, die Emotionen müßten zu vielfach sein, man mache Ludwig XVIII. verhaßt usw., allein eigentlich will man solche Leute wie Ney er- halten. Es ist auch horrende, daß solche Menschen, wes Namens sie sind, fallen, und Fouché *) lebt und die höchste Gewalt in Händen hat. ——— *) Joseph Fouché, Herzog von Otranto, geb. 1759, † 1820, Polizei- minister unter Napoleon I. und Ludwig XVIII. 53