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[   Band 5 Brief 9:   Caroline an Humboldt    Berlin, 29. Juli 1815   ]


seine Kinder? Was mag denn Lucian vermocht haben, diesmal
sich an Napoleons Schicksal anzuschließen? Dachte er wohl nach
seinem Fall eine Rolle in Frankreich zu spielen? Wird diese ganze
ehrenwerte Familie nicht aus Frankreich heraus auf irgendeine Süd-
seeinsel verwiesen werden?
Empfiehl mich Alexandern, umarme Schlabrendorff für mich
trotz des langen Bartes. Wie sehr, wie unaussprechlich gern ich
den wiedersähe — und außer Paris sieht man ihn doch nie —
kann ich nicht sagen! Für heute umarme ich Dich, ich bin ewig
Deine Li.


10. Humboldt an Caroline                        Paris, 29. Julius 1815

Ich führe hier nur insofern ein angenehmes Leben, als ich,
wie ich es doch immer für einen Teil des Tages erreiche,
einsam bin. Von den Geschäften kann ich Dir, da ich
nicht weiß, ob dieser Brief nicht doch durch die Post gehen muß,
nicht ausführlich schreiben, allein es wird Dir genug sein, wenn ich
Dir sage, daß sie nichts weniger als angenehm sind. An eigent-
liche Unterhandlungen wird jetzt noch nicht gedacht, alles, was vor-
kommt, betrifft noch die Art, wie die Armeen sich in Frankreich stellen,
beköstigen und betragen sollen. Über die unsrige erhoben die Franzosen
und erheben zum Teil noch die schrecklichsten Klagen. Anfangs sind
wohl partielle Unordnungen, vielleicht hier und da selbst Plünderungen
gewesen. Der Nationalhaß und die Erbitterung sind groß und gerecht,
die Armee ist im Schlagen und in Eilmärschen bis nach Paris ge-
kommen. Es wäre wunderbar und kaum zu begreifen, wenn das
alles hätte in vollkommener Regelmäßigkeit bleiben sollen. Allein
das allermeiste war und ist Übertreibung und sogar reine Verleum-
dung; auch beklagen sich die Franzosen über Dinge, die es uns, wie

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