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[   Band 5 Brief 8:    Humboldt an Caroline    Paris, 26. Julius 1815   ]


8. Humboldt an Caroline                           Paris, 26. Julius 1815

Ich habe keine Briefe in diesen Tagen von Dir erhalten,
liebe Li . . . Ich bin wohl und sehr beschäftigt. Der
arme Kanzler kann noch nicht viel teil an den Geschäften
nehmen. Er leidet seit einigen Tagen fortdauernd, es ist gar kein
Anschein einer Gefahr, allein ich kann nicht leugnen, daß mich die
Sache dennoch sehr ängstigt.
In den großen Begebenheiten ist gerade nichts Neues vorgefallen.
Die französische Armee unter Davout scheint sich in ihre Entlassung
zu fügen. Die Festungen haben mehr oder weniger sich für den
König *) erklärt, und wenn man sich dabei beruhigt, so ist also das
Haus der Bourbons in sicherem und ruhigem Besitz. Daß man
sich aber darauf verlassen könne, das zu glauben, bin ich weit
entfernt.
Blücher hat St. Cloud verlassen und hat sein Hauptquartier
jetzt in Rambouillet. Er folgt unseren Truppen an die Loire. Ich habe
ihn nur einmal gesehen, als ich bei ihm aß. Ich habe nicht Zeit
gehabt, Paris zu verlassen. Mit Grolman **) bin ich im nämlichen
Fall. Er kommt gar nicht in die Stadt. Das letztemal war er
ja bloß durchmarschiert. Dagegen bin ich mit Gneisenau in täglicher
Berührung. Er wohnt den Konferenzen bei, und wir kommen
regelmäßig eine halbe Stunde früher beim Kanzler zusammen. Auch
essen tun wir gewöhnlich miteinander, da auch er meistenteils beim
Kanzler ißt. Seine unmittelbare Teilnahme an den Geschäften ist
mir ein großer Trost. Auch Knesebeck ist sehr brav dabei.
Ich bin in den ersten Tagen hier viel im Museum gewesen.
Unsere Sachen haben wir alle vollständig zurückerhalten. Man dankt

———
*) Ludwig XVIII., geb. 1755, † 1824.
**) Karl Wilh. Georg v. Grolman, geb. 1777, † 1843, war 1815 General-
quartiermeister bei Blüchers Armee.

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