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[   Band 5 Brief 3:    Humboldt an Caroline    Rudolstadt, 9. Julius 1815   ]


stunde nach meiner Ankunft zu Wiese und hielt mich über eine
Stunde auf. Du kannst Dir nicht denken, was er alles durch-
einander gesprochen hat. Ich werde Dir ein andermal einiges
schreiben, es ist zu merkwürdig. Unter anderem sagte er mir, ich
wäre der gescheiteste Minister des Kongresses gewesen, setzte gleich
hinzu: er könne das zwar gar nicht beurteilen, und darum könnte
ich von ihm es immer annehmen, bewies es mir aber dadurch,
daß es ihm sein Büchsenspanner gesagt habe, als er sich durch
diesen habe den Brief, worin ihm meine Ankunft gemeldet sei,
vorlesen lassen. Für Thalebra *) äußerte er sich auf das Günstigste,
nur auf die Jagd möchten wir Verzicht tun, das sei, als wenn
man ihm ein Mädchen nähme. Ich versicherte ihm gleich, daß ich
ihm solches Herzeleid nicht anmuten wolle. Im ganzen hat er
mich sehr amüsiert. Er hat offenbar Originalität und recht viel
Verstand, nur gänzlichen Mangel an Erziehung.
Durch Erfurt kam ich die Nacht und sah, was mir sehr leid
tat, Papas Haus nicht, da der Weg nicht vorbeiführt.
Hier hat man mich schon bis jetzt mit der gewohnten Güte
und Freundschaft aufgenommen. Ich sollte bei Hofe wohnen,
allein, da ich nach dem Abendessen wieder fortgehe, habe ich es
abgelehnt.
Ich habe hier das Einrücken Blüchers am 3. in Paris erfahren
und mich unendlich gefreut, daß er der erste da ist. Er hat, wie
das Bulletin sagt, die Anhänger Bonapartes verhaften lassen. So
geschieht endlich einige Gerechtigkeit. Nur Napoleon selbst ist doch
entkommen.
Lebe wohl, teures, inniggeliebtes Herz.
Ewig Dein H.

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*) Eins der Dacherödenschen Güter.

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