< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 5 Brief 1:    Humboldt an Caroline    Burgörner, 7. Julius 1815   ]


Ich wäre um gute zwei Stunden früher hier gewesen, wenn
ich mich nicht in Dessau aufgehalten hätte. Aber ich hielt kaum an
der Post still, so ließ mich der Herzog *) durch den Kommandanten
einladen, zu ihm zu kommen und bei ihm zu essen. Er ist ein ver-
trauter Freund meines Vaters gewesen und hat mich als Kind oft
in Tegel gesehen, ich mochte es ihm also nicht abschlagen. Du glaubst
nicht, mit welcher Herzlichkeit mich der alte 75 jährige Mann auf-
genommen, wie er von Tegel gesprochen, sich gefreut hat, daß wir
es noch hätten, und immer wiederholt, wie mein Vater sich gefreut
haben würde, wenn er erlebt hätte, Alexandern und mich so zu
sehen. Beim Essen hat er mir noch Kirschen einpacken lassen, die
ich schlechterdings habe essen müssen. Dann ist er wohl eine Meile
weit mit mir gegen Köthen zu gefahren. Er ließ auch Dich sehr
grüßen, er hat Deinen Vater gut gekannt. Beim Abschied weinte
er bitterlich.
Hier muß ich suchen, daß ich keinen Augenblick verliere. Lebe
innigst wohl. Umarme die süßen, lieben Mädchen.
Ewig Dein H.


2. Caroline an Humboldt                       Berlin, 8. Julius 1815

So fängt denn das Numerieren wieder an, und ich kann
Dir gar nicht sagen, mein liebster Wilhelm, wie traurig
es mich macht, nun wieder auf das Schreiben reduziert
zu sein.
Ich bin um diese Stunde — es ist 10 Uhr — mit Dir in
Auleben, wo Dunker **) Dir in der gedrängten Zeit wohl manches
Aktenstück vortragen wird.

———
*) Leopold III., Herzog von Anhalt-Dessau, geb. 1740, † 1817.
**) Sekretär des verstorbenen Präsidenten v. Dacheröden.

                                                                       2