< zurück Inhalt vor >
[ Band 4 Brief 266: Humboldt an Caroline Wien, 9. April 1815 ]
wunderbares Geschöpf, romantischer und idealer wie Adelheid, und auch unaussprechlich gut. Es ist in den beiden Schwestern wie ein Schatz vom Himmel gekommen, aus dem Dein Wesen sichtbar zu- rückstrahlt. Über den Tod schreibst Du zwar sehr wahr, aber ich hege doch eine große Zuversicht. Hedemann hat an sich Glück, und sein ganzes Wesen ist so auf diese Verbindung, auf das Glück in ihr gerichtet, daß, ohne daß wir begreifen wie, ein solches unverrücktes Hinsehnen das Schicksal regiert. Ich habe der Mutter geschrieben, weil ich weiß, daß Hede- mann sie sehr liebt. Weißt Du noch, wie Papa und Mama sich über den schweren Kasus stritten, wer zuerst schreiben sollte, und wir ihnen dann die Briefe machten? *) Umarme die Kinder und Hedemann. Er nennt sich in dem Brief an mich ,Sohn', allein ich weiß nicht, ich komme mir als Schwiegervater ordentlich lächerlich vor, so daß ich mich gar nicht zu der Benennung entschließen kann. Ich dächte, man müßte weit gravitätischer sein, und ich habe immer den seligen Papa vor mir, als mein einziges Ideal eines Schwiegervaters. Wirklich war der gute Mann in diesem Verhältnis zwar manchmal unbequem, aber immer sehr lieb. Ich habe ein ausführliches Gespräch mit dem Staatskanzler über mich und meine künftige Lage gehabt, und es ist entschieden, daß ich bei dem Hauptquartier bleibe. Der Kanzler hat mir gerade- zu gesagt, daß er bei seiner Gesundheit und seinem Alter nicht sicher genug sei, immer die Geschäfte machen zu können, und mich also bei sich behalten wolle. Er ist auch mit mir übereingekommen, daß, selbst wenn eine Sendung nach England nötig sein sollte, ich sie immer übernehmen könnte, da sie doch immer nur kurz dauern ——— *) Vgl. Band 1, S. 90. 523