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[   Band 4 Brief 261:    Caroline an Humboldt     Berlin, 30. März 1815   ]


August beim Abschiednehmen in Wien gesagt hat: »Nun, wenn
die Franzosen halter den Napoleon wollen, so muß man ihn
ihnen lassen.«
Aus einem Brief der Herzogin von Kurland an ihre Schwester,
die Recke, sehe ich, daß diese jammert und wehklagt, daß es in
Europa so wenig Weise gibt, alles, sagt sie, Habsucht und
Egoismus. Das ist in der Feder, und da sie unter den Weisen
unstreitig Talleyrand und Dalberg und unter den Habsüchtigen die
Deutschen versteht, die das Ihrige behalten und Deutschland
nicht in dem Fall sehen wollen, von Frankreich wieder zerfleischt
zu werden, spaßhaft genug.
Die kleine Adel ist offenbar sehr mit dem Gedanken beschäftigt,
wie sie ihn wiedersehen, wie sie ihn empfangen wird, was er ihr
sagen, ob er sie hübsch entwickelt finden wird, wie es ihm vor-
kommen wird, daß sie nun Deutsch spricht, besser deutsch als
italienisch. Sie ist dabei so kindlich kindisch, daß sie alles sagt
was sie denkt, und ich bin überzeugt, daß sie noch gar nicht meint,
daß sie verliebt in ihn ist. Diese kindliche Naivität und Unschuld
müßte, denke ich, für ihn einen unbeschreiblichen Reiz haben. Ich
werde Dir gewiß alles sehr genau schreiben.
Gott, mein liebes Herz, in welchen Zeiten leben wir! Mit
welchen Sorgen legt man sich abends nieder, mit welchem Druck
erwacht man am Morgen. Es sammelt sich doch einzig das Gemüt
in dem Hinblick auf das Ewige, auf das, was in seligem Frieden
über den Stürmen des Lebens ist, und wie könnte es nicht sein,
da man das Vermögen hat, es zu ahnden!
Wie unaufhörlich ich in Gedanken bei Dir bin, kann ich Dir
nicht sagen. Ich umarme Dich für heute. Ewig Deine Li.

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