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[   Band 4 Brief 246:    Humboldt an Caroline    Wien, 23. Februar 1815   ]


Wenn es Dir und den Kindern ganz gut ginge, könnte mich
eigentlich nichts mehr beunruhigen und verwunden.
Deinen lieben Brief vom 18. habe ich auch bekommen und
begreife alles, was Du über unsere politischen Arrangements sagst.
Den Zeitungsartikel habe ich erst heute gelesen. Er ist mir nicht
nach meinem Sinn, aber unter uns, vom Staatsrat Hoffmann
gemacht. Wie es da steht, ist es eigentlich eine Verteidigung, sogar
Entschuldigung der Regierung gegen die Nation.
Wir wissen nun, daß man mit den getroffenen Einrichtungen
in Berlin höchst unzufrieden ist. Nach den meisten Briefen wird
die Schuld auf die Umgebungen des Kanzlers und namentlich auf
mich geschoben. Sage mir doch, ob Du das auch hörst? Zu
machen ist dagegen nichts. Man muß im Leben den unverdienten
Tadel gegen das unverdiente Lob aufrechnen. Wie alles gekommen
ist, weiß ich sehr gut, aber was hilft das?
Preußen ist jetzt die größte deutsche Macht, ohngefähr
acht Millionen Deutsche, also eine Kriegsmacht in Deutschland
von 240 000 Mann, und der erste Krieg, der entsteht, muß Preußens
deutsche Besitzungen da, wo sie noch lückenhaft sind, vergrößern.
Als mir im Kriege der Kanzler zum erstenmal von der Idee sprach,
Provinzen auf dem Rhein haben zu wollen, sagte ich ihm: Ich
billige es, es ist eine Hand, die man ausstreckt und mächtig
hinlegt.
Die Unzufriedenheit kommt auch daher, daß man sich erst
wirklich überspannte Begriffe gemacht hat, und daß besonders das
Militär das, was Preußen bekommen sollte, nach den wirklichen
Verdiensten der Armee, nicht nach den politischen Möglichkeiten
berechnet. Das Gefühl, alte Provinzen ungern zu entbehren, ist
sehr edel, allein übertreiben muß man es doch auch nicht. Und
wie alt sind denn die einzigen verlorengegangenen Länder? Ost-
friesland gehört seit etwa 70 Jahren unser, und ohne Ansbach

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