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[   Band 4 Brief 231:    Humboldt an Caroline    Wien, 13. Januar 1815   ]


Lebe innigst wohl, oder vielmehr sei nur erst nicht mehr krank,
süßes, teures, innig geliebtes Wesen. Ewig Dein H.


232. Caroline an Humboldt                   Berlin, 12. Januar 1815

Gestern habe ich Deinen Brief Nummer 58 [vom 5. Januar]
bekommen. Ich aß zu Mittag bei Prinzessin Ferdinand *),
die mir wohl sechsmal aufgetragen hat, Dir für Deinen
aimablen Brief zu danken und sie zu entschuldigen, daß sie Dir
nicht schriebe wegen ihres Augenwehs. Ich habe eine besondere
Abneigung gegen die Prinzeß Ferdinand. Sie sieht recht eigentlich
ungutmütig aus. Sie hatte mir auch nicht wieder den General
Gneisenau gebeten, mit dem ich doch sehr gern spreche.
Wegen der Möglichkeit, Brillanten zu haben und durch die
wahrscheinlichen Geschenke welche zu bekommen, weiß ich kaum,
was zu sagen ist. Es gibt allerdings in Deiner Karriere einige
Gelegenheiten, wo es hübsch wäre, wenn ich Brillanten hätte, allein
sie kommen in keinen Anschlag gegen den reellen Nutzen, den in
unserer Lage das Geld uns bringen kann. Wir haben doch noch
viel Schulden, und bei unserer sich immer erneuernden Abwesenheit
ist es nicht unwichtig, wenn wir ganz frei davon würden. Dann
finde ich auch bei Umständen wie die, die in unserm Vaterlande
obgewaltet haben und die sich erneuern können, wenn schon auf
andere Art, nobler, keinen Schmuck zu haben. Ich glaube auch,
daß künftig den Männern der Mädchen ein schuldenfreies Gut
mehr Freude machen wird als ein Brillantenkollier.
Des Kanzlers Gesundheit macht mich doch auch sehr besorgt.
Ich werde mich wohl hüten, von seiner Krankheit hier zu reden.

———
*) Gemahlin des jüngsten Sohnes König Friedrich Wilhelms I.,
geb. Prinzessin von Brandenburg-Schwedt, geb. 1738, † 1820.

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