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[   Band 4 Brief 226:    Caroline an Humboldt     Berlin, 31. Dezember 1814   ]


Carolinens Gesundheit macht mich in der Tat bedenklich.
Jetzt, seitdem es kalt geworden ist, sind ihre Migränen beinah
permanent. . . .
Deine, ich meine die allgemeinen Angelegenheiten, schmerzen
mich mehr, als ich es sagen kann, denn ich fühle recht die Wahrheit
Deines Worts, daß nichts rein ausgemacht wird. Wen ich in
meiner Seele vorzüglich deshalb beschuldige, weißt Du, allein viel
liegt auch gewiß an dem Fehlgriff, Wien zum Sitz des Kongresses
zu machen. Man hat doch dadurch Österreich einen Vorsprung ge-
geben, den es wohl nicht mit reinem Gemüt benutzt. Überhaupt
strebt der Geist der Zeit, Preußen zur ersten Macht Deutschlands
zu machen, Österreich wird’s mit allen seinen Mitteln nicht erringen,
aber es wird wohl noch einen blutigen Kampf setzen, doch auf-
halten kann diesen Geist so gewiß nichts, wie der Krieg gegen
Napoleon und sein System sich nicht aufhalten ließ. Verzögern,
unterdrücken konnten die Mächtigen und Nichtwollenden, weiter
auch nichts. Es geht etwas Geistiges durch alles Irdische hindurch
— wehe dem, der das nicht erkennt, und dies allein siegt, und die,
die für die Gegenwart und Zukunft wirken wollen, sollten vor aller-
erst durchdrungen sein von der Vergangenheit und die Geschichte
kennen. Da würde ihnen viel Aufschluß über das Künftige werden.
Unter dem allen treibst Du den Agamemnon. Ich vermag
Dir nicht zu sagen, was das gerade Rührendes für mich hat. Ich
stimme so ganz mit Dir darinnen überein, daß die Gegenwart beinah
immer etwas Gemeines oder Dürftiges hat, und es ist mir wie
das eigene Hinblicken in eine große und gewaltige Natur zu wissen,
daß Du, so oft es sein kann, für Augenblicke wieder in dein Reich
der Dichtung bist. »Denn alles Schöne lebt nur im Gesang.«
Der Minister von Bülow, der Dienstag abend nach Wien
abgeht, hat bei Gerhards *) bei Tisch, wo er war, gesagt, der Staats-

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*) K. A. Gerhard, Geheimer Oberfinanzrat, geb. 1738, † 1821.

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