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[ Band 4 Brief 210: Humboldt an Caroline Wien, 9. November 1814 ]
passen, daß man alles, was jetzt endlich entschieden werden muß, immer von Monat zu Monat aufgeschoben hat, und daß sich der Stoff zur jetzigen Gärung den ganzen Feldzug über aufgesammelt hat. Es ist eine langverhaltene Krankheit, die nun und mehr in ein schleichendes als in ein heftiges Fieber ausbricht. Die Hauptschwierigkeit machen wirklich ungerechte und der Ruhe von Europa gefährliche Forderungen Rußlands. In welchem peinlichen und delikaten Verhältnis dabei Preußen und doppelt sehr das Ministerinm steht, brauche ich Dir nicht zu sagen. Ich nehme mich mit so vieler Vorsicht und Klugheit als möglich; ich werde aber meinen bisherigen Grundsätzen treu bleiben und auch mit großer Festigkeit handeln. Ich fürchte auch diesmal nicht gerade, wie es in Prag der Fall war, daß ich würde zu extremen Schritten kommen müssen. Wenn es indes wäre, würde ich sie nicht fürchten. Ich werde meine innere Unabhängigkeit immer und unter allen Um- ständen behaupten. Ein Glück ist es noch, daß sich die Gesundheit des Staats- kanzlers, da sie gleich von Zeit zu Zeit etwas leidet, wenigstens im ganzen erhält. Er ist immer gleich freundschaftlich gegen mich, und wir sind alle Tage, wie Du denken kannst, beisammen. Du wirst vielleicht in Berlin gehört haben, daß er eine sehr reiche Dotation bekommen hat. Es sind zwei große und schöne Güter bei Berlin, die den Namen der Herrschaft Neu-Hardenberg führen werden. Sie tragen etwa 24000 Taler jährlich. Blücher hat gleich viel er- halten. Die Generale werden jeder ungefähr 10000 Taler haben. Meinetwegen habe ich bis zu diesem Augenblick noch nicht gesprochen. Ich werde es einmal in diesen Tagen tun. Allein wie die Sachen stehen, ist die Lage sehr ungünstig dazu. Auch werde ich diese Sache natürlich immer allen anderen Rücksichten nachstehen lassen. Es wäre mir, wie sehr ich Dich und die Kinder liebe, nicht möglich, anders zu handeln. 412