< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 4 Brief 207:    Humboldt an Caroline    Wien, 4. November 1814   ]


weiterung fremd sein würde. Die Nähe könnte doch gefährlich
werden, die Königsberger Wahrsagerin hat mich immer vor einer
blonden Person gewarnt, und blond war sie, das weiß ich gewiß.


208. Caroline an Humboldt            Berlin, 11. November 1814

Liebste Seele!
Gestern habe ich Deine Nummer 32 vom 4. bekommen mit
alle den Einlagen, die ich gelesen und die mich sehr
interessiert haben.
Was für Unglück in der Welt still unbemerkt vorübergeht!
Trotz des Romanhaften des Stils hat mich der Lebenslauf doch
sehr interessiert. Allein wie will man der armen Person helfen,
wie etwas zu ihrer wahren Erleichterung beitragen? Wie sie sich
selbst darstellt, so glaube ich, ist die einzige Stelle, die ihr gemütlich
sein könnte, die einer Gesellschafterin in einem wohlhabenden Hause,
wo ihr mit Achtung begegnet würde. Als Erzieherin würde es
sich nicht machen, sie scheint mir zu kränklich dazu. Ich habe hin
und her gesonnen, was man für die Arme tun könnte — eine
Person, die der Wirtschaft im Detail vorsieht, werden wir wohl
haben müssen, allein schwerlich möchte sie dazu passen, denn wenn
es ordentlich versehen werden soll, so setzt es eine solche Person in
Rapports mit der dienenden Klasse, die nicht die angenehmsten sind.
Ich schicke die Papiere der armen Charlotte zurück, ich denke
doch, daß es Dir interessant ist, sie zu behalten, und ich will ihr
sehr wohl, denn Du magst sagen, was Du willst, Dich hat sie
doch tief ins Herz gefaßt. Ob ich hier den Mann finden werde,
den sie bedauert nicht geheiratet zu haben, daran zweifle ich doch.
Da fühlt man überhaupt etwas Unklares in der Lebensgeschichte.

                                                                       408