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[ Band 4 Brief 203: Humboldt an Caroline Wien, 2. November 1814 ]
kanzler nicht sehr bestimmt um Rat fragt, und es ist sogar die wirklich, da der Kanzler sehr viel selbst arbeitet und eine sehr ent- schiedene eigene Meinung besitzt, falsche Idee verbreitet, daß ich alles, was Preußen betrifft, hauptsächlich mache, und daß, wo man Widerstand findet, dies wenigstens hauptsächlich immer von mir herkommt. Ich bin jetzt auch mit Metternich gut. Er könnte mich auf keine Weise übergehen, allein er fühlt auch das Bedürfnis, sich meiner Meinung zu versichern, und er arbeitet also oft und in gutem Sinne mit mir. Den König sehe ich in Geschäften eigentlich gar nicht, was im Grunde ein Gewinn ist. Denn es ist schlimm mit ihm streiten, wo er nicht von selbst gleicher Meinung ist, und in der jetzigen Lage der Dinge muß oft das Gegenteil eintreten. Ich sehe ihn aber fast alle Abend in Gesellschaft, und er ist immer sehr freundlich mit mir. Von allen diesen Seiten kann ich daher keine Klage führen. Aber die Geschäfte gehen langsam und schlecht, und in diesem Augenblick ist nicht einmal die Art des Endes und möglichen Aus- ganges abzusehen. Der schlimme Punkt in dem allen ist Rußland, oder vielmehr des Kaisers (gar nicht von den Russen begünstigte Ideen über Polen, da er, obgleich ihm niemand bestreitet, den größten Teil des Herzogtums Warschau zu behalten, nicht einmal Preußen und Österreich eine gute Grenze geben will, und die Absicht hat, sich zum König von Polen zu krönen. Beides ist gefährlich und kaum zu dulden, und das Sonderbarste ist, daß er dabei gewiß viel weniger ehrgeizige Absichten hegt, als er philan- thropische und nur übelangewendete Ideen hat. Mit Sachsen ist man freilich im reinen, da England und Österreich darin auf unserer Seite sind, und nur die öffentliche Unterhandlung noch darüber fehlt. Allein das hängt doch immer 399