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[   Band 4 Brief 174:    Humboldt an Caroline    Paris, 3. Junius 1814   ]


Liebe, teure Li, wenn ich nur erst wieder mit Dir reden, Dich
sehen könnte! Lebe wohl, einzig liebes Wesen. Umarme die
Kinder. Ewig Dein H.


175. Caroline an Humboldt                 Bern, 12. Junius 1814

Mein herzenslieber Wilhelm!
Eben habe ich Deine Nummer 213 vom 3. Junius emp-
fangen. Sie war auf eine sehr grobe und ungeschickte
Art aufgemacht gewesen, so daß das Siegel kaum noch
kenntlich war. Bei dieser Gelegenheit haben dann wahrscheinlich
ungeschliffene Hände das Rosenblatt mir verloren, was Du mir
von Luisens Grab schickst. Es war nicht mehr da.
Ich danke Dir, daß Du bei ihr warst. Manches Jahr hat
sie einsam gelegen, die Liebe, Kleine, früh und sanft Entschlafene.
Sanft, sag ich? Ein so zartes Leben leistet dem lösenden Tode
geringeren Widerstand. Ach, sonst war ihr Leiden kurz, aber doch
vielleicht sehr bang. — Ach, es war auch lang keiner von uns bei
Wilhelm und Gustav! *) —
Ich wünsche Dir Glück zum Orden des Eisernen Kreuzes
erster Klasse. Ich wünsche Dir sehr herzlich, sehr innig und mit
Tränen der Freude Glück dazu. Einen schöneren kann man nicht
tragen. Es wird das schönste ἄγαλμα **) in unserer Familie bleiben.
So bist Du nun in London, mein liebes Herz, getrennt durch
Meer und Land. In einem Jahr hast Du’s weit herumgebracht
in der Welt. Die Welt ist freilich so klein, man ist gleich überall.
Du schickst mir die Pferde und ermahnst mich, mich nicht zu
erschrecken. Aber den Schreck hatte ich doch weg. . . .

———
*) An der Cestius-Pyramide in Rom.
**) Kleinod.

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