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[ Band 4 Brief 169: Humboldt an Caroline Paris, 16. Mai 1814 ]
dem Homer, von dem ich jetzt viel auswendig weiß. Man hielte es nicht aus in dem flachen Lebensstrom ohne eine solche unauf- hörliche Andacht. Des Abends, wenn ich ausgegangen bin, gehe ich immer die langen Boulevards in der Nacht zu Fuß nach Hause und grüße die Sterne und gedenke Deiner. Lebe wohl, mein einzig teures, geliebtes Wesen, nimm ewig meine ganze Dankbarkeit und meine tiefe Liebe, nimm sie doppelt heut und morgen, an den Tagen, in denen ich in furchtbarer Ge- fahr schwebte, in der größten, die mich je treffen kann. Wäre es heute vor 22 Jahren *) unglücklich gegangen, so hätte ich es nicht überlebt, das sagte ich mir, als ich vor Deinem Bett saß, und es wurde mir leicht dadurch. Ich konnte mit Wahrheit denken: »Wer nicht setzet das Leben ein, dem wird nimmer das Leben gewonnen sein.« Lebe wohl, süßes Herz. Umarme die Kinder. Ewig Dein H. 170. Humboldt an Caroline Paris, 20. Mai 1814 Du würdest sehr lachen, liebe Li, wenn Du mich diese Zeilen schreiben sähest. Ich hatte so große Tische allein in Wien und schreibe hier an einem einzigen, engen, mit dem Kanzler, der mir gegenübersitzt, und rund um uns her Berge von Papieren, daß man gar keinen Grund sieht. Zürne mir ja nicht, liebes, einziges Herz, daß ich flüchtig, unordentlich und abgebrochen schreibe. Diese Nacht habe ich einen schlimmen Traum gehabt, der mir tief in der Seele liegt. . . . Ach! wenn Du wirklich krank wärst, einzig geliebtes Wesen! Ich weiß nicht, warum ich so verwundbar ——— *) Bei der Geburt der Tochter Caroline. 336